Ausgeleckt, Part III
Zwei Tage vor Weihnachten löste sich die bestellte Kalbszunge in Luft auf. Das ist natürlich mit schriftstellerischer Freiheit übertrieben, war sie doch gar nicht da. Was also in Wohlgefallen aufging, war die Idee von ihr. In sanfter Weißweinsauce, sämig über ein Steckrübenpüree fließend oder auch einen Kartoffelbaumkuchen mit Bockshornkleesamen begleitend. Tja. Ersatz vom Metzger d. V. kam in Form einer Rinderzunge, und daher blieb nur eine winzige Enttäuschung meinerseits. Vollends versöhnte mich das Schicksal in dem Moment, als es meinen Blick auf frische deutsche Steinpilze lenkte, das Kilo für nicht weniger als € 59,00 aber hey - hatte ich nicht kurz zuvor immens durch den Fleischtausch gespart und hatten wir nicht in zwei Tagen Weihnachten? Eben.
Garzeit und Zubereitung für Rinderzunge
Die Zunge simmerte wie gewohnt in einer ordentlichen court bouillon; seitdem Wolfram Siebeck beschrieben hat, dass Paul Bocuse die seine stets mit Ochsenbacken und Ochsenschwanz ansetzt, bin ich bei der meinen nicht zimperlich. Das mindeste, das sie von mir bekommt, ist ein Ochsenschwanz, hedonistisch ergänzt auch noch durch einen Kalbsfuß oder eine Ochsenbrust, gerne eine Ochsenbacke, wenn denn gerade eine herumliegt. An der späteren Brühe delektieren wir uns tagelang, sie verfeinert Saucen, dient als Suppengrundlage und Reste, so denn welche bleiben, werden tiefgekühlt. Nach ca. 2,5 Stunden ist die Zunge weichgesimmert, steche eine Fleischgabel hinein und versuche, sie mit dieser aus der Brühe zu heben. Wenn das nicht gelingt, da die Rinderzunge sofort wieder herunterrutscht, ist sie gar. Dann bekommt sie die Haut abgezogen und darf in der Brühe ihrer weiteren Verwendung harren. Wichtig: Ich verwende niemals gepökelte Rinderzunge! Erstens verwehre ich mich der Chemiekeule und zweitens taugt gepökeltes Fleisch imho lediglich für Kaltaufschnitte.
Grundlage für die Sauce mit Muscadel Red, was ein südafrikanischer Süßwein ist, der hervorragend mit Steinpilzen harmoniert, war eine dunkle roux, deren Zubereitung ich hier ausführlich beschrieben habe. Denke daher daran, dass Du Dir rechtzeitig etwas der Bouillon abkühlen lässt. Dann fährst Du fort wie dort beschrieben. Ablöschen des Mehles mit kalter Bouillon und dem Muscadel, weitere Bouillon nachgießen, reduzieren lassen, nachgießen und so fort. Am Ende hast Du eine köstliche Sauce mit leichten Karamellnoten, sämig abgebunden. Ein Stück eiskalte Butter hineinzumontieren schadet nicht und gibt ihr noch mehr Glanz.
Rote Polenta
Meine Rote Polenta wird aus Rotem Tessiner Zuckermais produziert; eine eigene Sorte, deren rote Maisschalen für die roten Einsprengsel sorgen. Die Polenta ist sehr grob gemahlen, also eher eine Bramata, im Tessin wird der Maisgrieß ebenso gerne grob vermahlen wie im Bündnerland. Der Rote Tessiner hat eine angenehme Süße und auch wenn die Polenta cremig gekocht ist, bleibt leichter Biss, der ihr den Babybrei-Charakter einer italienischen Polenta nimmt. Schön erklärt hat das auch Claudia von fool for food, sie schwört dazu ebenso wie ich darauf, dass die Polenta wirklich lange und ständig gerührt werden muss. Was ich, wie Du weißt, beim Risotto für einen Mythos halte, ist hier oberstes Gebot. Jetzt habe ich aber eben bei Claudia von einem kupfernen selbstrührenden Polentakochtopf* gelesen und weiß, was hier demnächst einziehen wird...
Wie jede andere Polenta koche ich auch die Rote in aromatisierter (z. B. mit Rosmarin) Milch und Sahne, gebunden durch etwas in der Milch aufgelöstes Weißbrot ohne Rinde. Sollte der Polentabrei zu dick geraten, gebe ich Brühe (hier von der Rinderzunge) hinzu. Zum Schluss bekommt die Polenta ein dickes Stück Salzbutter untergerührt, auf Parmesan verzichte ich bei diesem Gericht gänzlich.
Vor dem Servieren wurde die Rinderzunge aufgeschnitten, die Scheiben in die Sauce gelegt und dann Zunge und Sauce auf der roten Polenta angerichtet. Obenauf kamen die Steinpilze, angebraten in einer Mischung aus Olivenöl und Butter sowie feingehackte Rosmarinblätter. Ein Essen für die Götter. Mindestens.
Vor dem Servieren wurde die Rinderzunge aufgeschnitten, die Scheiben in die Sauce gelegt und dann Zunge und Sauce auf der roten Polenta angerichtet. Obenauf kamen die Steinpilze, angebraten in einer Mischung aus Olivenöl und Butter sowie feingehackte Rosmarinblätter. Ein Essen für die Götter. Mindestens.
Der Wein dazu
Wir blieben auch beim Begleitwein in Südafrika und tranken
Allesverloren
Shiraz
2010
2010
Wine of origin swartland
Südafrika
Ca. € 10,00/Flasche 0,75 l
Bezugsquelle*
Oh, ich esse so gerne Zunge......und die hier, die lacht mich gerade besonders an.
AntwortenLöschenAber das mit dem Polenta-Topf, das nehme ich Dir übel. Ich hatte schon vergessen, dass es den gibt....und dann so was....
Lecker Zunge! Leider sind die nicht so "edlen" Teile wie Innereien und Zunge sehr unterschätzte Zutaten in der Küche!
AntwortenLöschenIch finde es Prima damit zu arbeiten und modern angerichtete Gerichte zu präsentieren. Sehr schön!
Tja und das kleine "Malör" mit der Kalbszunge hat doch zu einem sehr ansprechenden Gericht geführt
Viele Grüße
Mario
Lecker! Kalbszunge gab es früher bei Muttern und ist seither unerklärlicherweise von meinem Speiszettel verschwunden. Insofern: vielen Dank für die Inspiration.
AntwortenLöschenVerzichtest Du aus einem bestimmten Grund bewusst auf den Parmesan?
Herzliche Grüße,
Oliver
Liebe Susanne,
AntwortenLöschenDu siehst mich zerknirscht. 'tschulligung!
Aber warum eigentlich soll es Dir besser gehen als mir, hm? ;)
Lieber Mario,
AntwortenLöschenja alles kein Drama :) Allerdings wollte ich ein Fitzelchen der Kalbszunge für ein Ragoût Fin abzweigen...
Lieber Oliver,
AntwortenLöschenmir erscheint der Parmesan in Verbindung mit der karamelligen Süßwein-Sauce einfach nicht passend.
Du hast Recht, ich beklage es auch sehr, dass Zunge von so vielen Speisezetteln verschwunden ist.
Wir finden, dass das ein wunderbares Rezept ist mit tollen Bildern! Haben es ausprobiert und fanden es recht spannend! Beste Grüße vom Münchner KochBock!
AntwortenLöschenHallo Astrid!
AntwortenLöschenLeider muss ich eine Frage nicht wegen des Essens stellen!
Darf ich erfahren, von welchem Hersteller die wunderbar aussehende Servierschale für die Rinderzunge stammt?
Viele Grüße ebenfalls von einem (Rinder)Zungenlieberhaber und weiterhin gutes Gelingen deiner Gerichte!
Steffen
Lieber Steffen, der Teller ist von Tafelstern aus der Serie "essentials". Er ist einem Chicorée-Blatt nachempfunden.
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