Nach den vorangegangenen Einblicken in die Arbeit eines Restauranttesters und dem Aufeinandertreffen von Tester und Blogger folgt heute das große Ganze: Das Menü Flora mit einem kleinen Teil Fauna im Restaurant Nils Henkel, Burg Schwarzenstein
Nils Henkel bietet in seinem Restaurant zwei Menüs: Flora und Fauna, d. h. eines komplett vegetarisch. Ich entscheide mich ziemlich schnell für Flora; wo, wenn nicht an einem Ort wie diesem möchte man lustvoll vegetarisch essen. Nur die Kalbszunge lasse ich mir als Hauptgang von einem Menü ins andere schmuggeln...
Nach den Überlegungen, wie sehr oder wie wenig ein professioneller Restauranttester und eine professionelle Bloggerin sich in ihrer journalistischen Arbeit und Ausdrucksform unterscheiden, fehlen noch die Hauptdarsteller des Abends: Nils Henkel, sein Team und die Menüs. Zur Einstimmung meine ersten Sätzen des ersten Teils:Der Tester steckt im Stau und so habe ich Zeit, die neue Wirkungsstätte von Nils Henkel ganz in Ruhe auf mich wirken zu lassen. Schön ist es geworden auf Burg Schwarzenstein, die ich das letzte Mal vor ca. zehn Jahren besucht habe. Licht und klar das Design, elegant und einladend gleichermaßen. Nils Henkel ist bei unserer Begrüßung so unprätentiös wie ich ihn seit Jahren kenne und schätze, Maître Marina Saldana Alonso so hinreißend, dass ich auf der Stelle ein kleines Bisschen verliebt bin. Das erste Glas Creation, eine Winzersekt-Cuvée aus Riesling und Spätburgunder von F. B. Schönleber, Rheingau genieße ich also wie den 3*Sterne-Ausblick vom Restaurant in die Weinberge die ersten Minuten alleine...
Ihr wisst, dass ich gerne auch mal alleine essen gehe, insofern habe ich es genossen, die ersten 20 Minuten ganz für mich zu haben. Der Ausblick vom Restaurant über die Terrasse in die Weinberge ist atemberaubend und nur die Gäste, die ziemlich nah am Fenster saßen, hielten mich von einer ausgiebigen Fotorunde ab. Dafür wurde ich liebevoll von Marina Saldana Alonso und ihrem Team umsorgt, feine Worte und feines Lächeln immer wieder in meine Richtung bis hin zur Frage, ob man für mich ein wenig tanzen sollte. Ich bedankte mich lachend für so viel Aufmerksamkeit und habe mich danach auch nur ein kleines Bisschen geärgert, voreilig abgewunken zu haben. Etwas später kam auch mein "Blind Date" Wolfgang Fassbender, Restaurantkritiker der Neuen Zürcher Zeitung, an und wir begannen mit Sekt, respektive Champagner, uns ein wenig kennenzulernen und auf den gemeinsamen Abend einzustimmen.
Restaurant Nils Henkel, Burg Schwarzenstein
Nils Henkel bietet in seinem Restaurant zwei Menüs, Flora und Fauna, d. h. eines komplett vegetarisch. Ich entscheide mich ziemlich schnell für Flora; wo, wenn nicht an einem Ort wie diesem möchte man lustvoll vegetarisch essen. Nur die Kalbszunge lasse ich mir als Hauptgang vom einen Menü ins andere schmuggeln, dafür verzichte ich auf Auster im Prolog, sowie Seidentofu und Morcheln, Baldriankraut und Bete im Salzteig. So werden es bei mir von den 8 möglichen Gängen 7, bei Wolfgang noch einer weniger – aber wer hat denn hier 'nen Ruf zu verlieren, er oder ich? Eben.
Pure Nature lautet seit einigen Jahren der Claim von Nils Henkel, den gleichen Namen trägt sein 2010 im Fackelträger Verlag erschienenes Kochbuch. (Blick ins Buch hier).
2009 vom Gault Millau zum Koch des Jahres gekürt, hat er seitdem die deutsche Hochküche nachhaltig geprägt. Erst gemeinsam (2004 - 2008) mit Dieter Müller, anschließend alleine, hatte er die Küchenleitung im Gourmetrestaurant Lerbach auf Schloss Lerbach bis zur Schließung des Restaurants 2014 inne. In diesen Jahren hielt das Restaurant 3, resp. 2 Sterne und hatte mit Thomas Sommer einen ebenfalls vom Gault Millau gekrönten Sommelier des Jahres. Seit 2006 gehört Nils Henkel zum Kreis der Jeunes Restaurateurs d’Europe, von denen ich euch HIER erzählt habe (inklusive der "heißen" Buchwidmung von Alexander Herrmann) Mein letztes Essen auf Schloss Lerbach liegt mittlerweile fast 4 Jahre zurück, in der Zwischenzeit habe ich die wunderschönen Teller von Nils Henkel während seiner Zeit als Freiberufler auf Instagram und Facebook bewundert und mich im Stillen gefragt, wann er wohl wieder eine feste kulinarische Heimat finden würde – und wie viele Kilometer würde ich dorthin zu fahren haben? Zwei Antworten: 1. Februar 2017 und 49,4. Als also bereits im Dezember 2016 die Anfrage von der NZZ kam, ob ich Lust auf ein gemeinsames Abendessen mit Wolfgang Fassbender hätte und Wolfgang im Februar dann auch gleich das Restaurant Nils Henkel vorschlug, habe ich nicht einen Wimpernschlag lang bis zu meiner Zusage überlegt.
Das Menü Flora mit kleinem Zwischenspiel aus Fauna, fulminant begleitet durch die Weinauswahl von Sommelier Michel Forquet:
Traubenkernbrot mit gesalzener Butter in Röllchen, Frischkäse mit Sauerklee und aufgeschlagener Nussbutter
Der Prolog:
Flammkuchen mit Rucolacreme, eine Halbkugel aus Handkäse in einer Hülle aus roter Beete und Kreuzkümmelmacaron, eine Auster mit Ponzu, Orangenfilet und Klettwurzel und (schon jetzt mein absolutes persönliches Highlight: ein Überraschungsei gefüllt mit Geflügelragout mit Herzen, pochiertem Wachtelei, Misoschaum mit Schwarzwaldmiso und knuspriger Hühnerhaut. BÄM!
Es folgte:
Geschmorter Ostseeaal mit Birne und Bohnen. Und ich habe glatt vergessen, dass ich ja gar keinen Aal esse!
Frühlingsbeet – Kräuteremulsion, Junges Gemüse, Rhabarber
2. Gang:
Spargel, confiert – Trüffelvinaigrette, Mascarpone, Weinbergkräuter
Serviert auf einem meiner absoluten derzeitigen Lieblinge: SAKURA von Lambert
3. Gang
Fondue-Ravioli – Beaufort, gebundener Tomatensud, Kohlblättchen
4. Gang
Jetzt wäre der von mir ausgelassene Gang gefolgt: Seidentofu, Dashi, Meeresgemüse, Soja. Ich machte weiter mit:
Eigelb, verloren – Bärlauchsud, Radieschen, gegrillte Zwiebel
Die von Fauna in mein Flora-Menü geschmuggelte Kalbszunge als Hauptgang
Kalbszunge – Colatura di Alici*, Zitrone, gegrillter Stengelkohl
6. Gang
Obermünstertaler
Käse aus dem Münstertal, Kümmel in Texturen
Käse aus dem Münstertal! Noch Fragen? ❤
7. Gang
Möhren – Gierschsorbet, Ziegenjoghurt, Berberitzen
Epilog
Und weil es so unglaublich war (ich kann fast von einem Lieblingsgang sprechen! Im Prolog! BÄM!), hier noch einmal ein professionelles Bild von einem Teil des Prologs, das mir Nils Henkel freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat – das Überraschungsei mit Geflügelragout mit Geflügelherzen, confiertem Wachteleigelb und Scharzwald-Miso und auch dem Restaurant von innen und außen. Nils Henkel hat mir ein paar Tage nach meinem Besuch Fotos vom Eingang gemacht, das Fotografieren der Tür hatte ich nämlich vor lauter Wonne und Vorfreude vergessen, vielen Dank noch einmal dafür auch an dieser Stelle!
Jetzt wollt ihr alle wissen, wie es war und was so eine Sause kostet. Nun, ich hab's gut, ich bin ja kein professioneller Restauranttester, bzw. muss mit Kritiken nicht mein Geld verdienen. Ich muss auch keine Feinabstufungen vornehmen und mir überlegen, ob jetzt der eine oder der andere Gang vielleicht 2 oder fast oder ganz 3-Sterne-Niveau hatte. Oder ob ich 9,5/10 oder Pusteblumen vergebe. Ich kann ganz einfach sagen, dass es ein Menü voller Können, Liebe und Hingabe war, jeder einzelne Gang war kulinarisches Hochereignis. (Habe ich schon vom Überraschungsei geschwärmt?) Wie viel das jetzt in Punkten von Punkten ist? Das spielt überhaupt keine Rolle, aber eines steht fest: alle Punkte, die ich vergeben könnte, gingen an dieses Menü, diese Küche, diesen Service und diese Atmosphäre. Ich nehme an, das ist eine Bewertung, die jeder versteht. Also eventuell ansparen, hingehen, selber essen! Und ich verspreche euch: von solchen Essen, von solchen Abenden träumt ihr über Jahre nach; sie lassen euch noch lange Zeit später glucksend vor Zufriedenheit und Glück vor euch hinlächeln. Wann vermochte das ein Essen das letzte Mal?
Serviceteil
*italienische Würzsauce aus Sardellen
Unterwegs mit einem Restauranttester, Teil 1: HIER
Der Blick des Testers auf das Essen: HIER
Blogger vs. Restauranttester. Der Blick des Testers auf den Abend mit mir (hehe): HIER
Der Blick des Testers auf das Essen: HIER
Blogger vs. Restauranttester. Der Blick des Testers auf den Abend mit mir (hehe): HIER
Restaurant Nils Henkel (JRE)
Burg Schwarzenstein
Rosengasse 32
65366 Geisenheim - Johannisberg
Telefon: 0 67 22 - 99 50-0
Hat gekostet:
für 2 Personen inklusive Weinbegleitung ca. € 540,00
Es geht aber auch günstiger:
Menü Fauna: € 180,00/8 Gänge, € 145,00/6 Gänge
Menü Flora: € 155,00/8 Gänge, € 125,00/6 Gänge
Gute und günstige Flasche Wein: € 36,00
Wand an Wand gibt es das casual dining-Restaurant Grill & Winebar, das ebenfalls von Nils Henkel und seinem Team bespielt wird. Mit JOSPER-HOLZKOHLEGRILL!!! Hier geht's zur Speisekarte
Disclosure
Das Treffen und Essen erfolgte auf Einladung der Neuen Zürcher Zeitung. Eine ausufernde Berichterstattung dazu war nicht verabredet – aber wie könnte ich nicht! (Möglicherweise haben sie das in der Redaktion geahnt)
Genießt euren Tag!
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenmit sehr großer Freude habe ich diesen Bericht gelesen, wie alle Deine Erzählungen von Restaurants. Der Artikel über den Eisenbahnwaggon war auch so ein Schätzchen! Mir sind solche Berichte lieber als die manchmal gestelzten Kritiken in Restaurantführern, weil man hier als "normaler" Mensch und Leser besser spürt, wie es wirklich war. Ich spare dann mal los...
Liebe Caroline, danke für Dein Lob, das freut mich sehr! Und ja – sparen lohnt!
LöschenSchöööööön!
AntwortenLöschennicht's wie hin....aber fuer mich leider nur mit mind. 3 h Flug zu
AntwortenLöschenerreichen. Ich bewundere und respektiere vor allem diese Superkoeche
wie sie das alles managen und deren grenzenlose Kreativitaet. Denke,
es ist einer der anspruchvollsten aber auch beglueckendsten Berufe.
Einer der anspruchsvollsten Berufe, da hast Du ganz sicher recht! Und allein die harte Schule, durch die diese Köche in ihren Ausbildungsjahren gegangen sind...
LöschenAnspruchsvoll und beglückend – das hast Du schön gesagt!
3 Stunden Flug! Von wo aus liest Du mich?
Suedspanien
LöschenWie schön!
LöschenIch lese so gerne deine Food Berichte, sieht alles super lecker aus.
AntwortenLöschenViele Grüße sendet dir,
Jesse Gabriel
P.S.: Ist es normal das das Kochbuch - Gewinn noch nicht bei mir angekommen ist, habe mich doch so sehr gefreut?!
Lieber Jesse,
Löschengut, dass Du mir Bescheid gibst! Nein, das sollte nicht "normal" sein. Ich hake heute beim Verlag nach, warum Dein Buch noch nicht angekommen ist.
Herzlicher Gruß nach Berlin!
Vielen dank!
LöschenZum betreuten Essen sag ich auch gerne ja, bitte!!!
Grüße Jesse Gabriel
Ich beantrage betreutes Essen!
AntwortenLöschenIch sitze ja schon seit Tagen am Businessplan! :)
LöschenLiebe Astrid,
AntwortenLöschenum fünf und damit eine Stunde zu früh aufwachen... ist herrlich, weil ich damit eine Stunde Zeit hab, unter anderem bei Dir zu lesen!! Mit der Sterneküche hab ich es eigentlich nicht so, das ist mir meist zu viel "Tatütata". So, wie Du es beschreibst, klingt es einfach nach einem sehr angenehmen, sehr genussreichen Abend mit viel Können (-> das "Frühlingsbeet!") Vielleicht solltet ich doch mal wieder ein Vorurteil über Bord werfen, macht ja Sinn, so aller paar Jahre ;-)...
LG aus Leipzig von Anja