Vom Sotten und Sieden und von Ochsenbrüsten, die gar keine sind; warum man Jungbullenfleisch meiden und was man den Metzger fragen sollte
Ochsen und Rinder
So gerne ich herzhafte Steaks mag, so sehr bin ich eine Liebhaberin von gesottenem Rindfleisch. Gesotten bedeutet nichts anderes als gesiedet, das heißt, das Fleisch wurde in Flüssigkeit (das muss nicht zwingend pures Wasser sein) kurz unter dem Siedepunkt gegart. Der Temperaturbereich liegt während der Zubereitung zwischen 90° und 95°C, weniger Temperatur bedeutet pochiert; (ca. 60° - 85°C) hier im Blog gibt es z. B. dazu die klassisch pochierten Eier aber auch eine pochierte Lammkeule findet sich, verlinkt für euch weiter unten im Serviceteil. Bitte korrigiert mich - ich weiß, hier lesen einige Österreicher mit - aber für mich ist Sieden klassisch österreichische Küche, wobei ich eine gesottene Ochsenbrust innerhalb Deutschlands auf jeden Fall in den Süden schiebe. Franken, Baden, dort hat Ochsenfleisch eine große Tradition und derzeit lässt sich beobachten, dass die Bauern aufgrund steigender Erlösmöglichkeiten für Ochsenfleisch wieder mehr Ochsen mästen. Das wässrige Jungbullenfleisch, das sich seit Jahren in den Fleischtheken der Republik breitmacht, ist hierfür kein Ersatz, verlangt ansonsten von eurem Metzger lieber eine ordentliche Rinderbrust. Überhaupt, das habe ich euch in meiner FAQ zu den Ochsenbacken schon aufgeschrieben, gibt es nicht ausreichend Ochsen in Europa, um das ganze Ochsenfleisch samt -backen zu erzeugen, das so durch die Gegend geistert. Ochsenschwänze, Ochsenbacken, Ochsenbrust - sie sind wie Erdbeeren im Joghurt, für die die Welternte ebenfalls nicht ausreichend ist. Fragt also euren Metzger, ob er euch wirklich Ochsenfleisch verkauft, oder ob es nicht doch vom Rind stammt.
Der Unterschied ist schmeckbar, Ochsen wachsen langsam, ihr Fleisch ist fein marmoriert und besonders aromatisch. Hinzu kommt mehr Fett und ihr wisst: Fett = Geschmack. Also selbst wenn ihr das Fett am Ende nicht mitesst, lasst es während des Garens auf jeden Fall dran, abschneiden könnt ihr es immer noch.
Und so siede ich Ochsenbrust:
Ich setzte das Fleisch mit ein paar Knochen in kaltem Salzwasser auf, so dass es gerade bedeckt ist, gebe etwas Wurzelgemüse, 1 Pfefferkorn, 1 Lorbeerblatt, ein Glas trockenen Weißwein, einen Schuss Sojasauce und eine Spitze vom Sternanis hinzu, lasse es einmal kurz aufkochen und schalte die Hitze anschließend so weit herunter, dass der Sud siedet. Ihr könnt natürlich mit einem Thermometer nachmessen, aber auch das Auge hilft. Wenn die Flüssigkeit immer kurz davor ist, dick aufzublubbern, dann ist die Temperatur richtig. Ist im Topf hingegen alles ruhig, gebt mehr Hitze dazu, etwas Bewegung muss sein. Je älter das Tier, desto länger braucht das Fleisch und Ochse benötigt etwas länger als Rind, mit 2,5 Stunden würde ich immer mindestens rechnen.
Bouillongemüse
Petersilienwurzel, Karotte, Sellerieknolle und Lauch waren die heutigen Protagonisten. Das Gemüse wurde von mir in Würfel (Sellerie) und Scheiben (Karotte, Petersilienwurzel) geschnitten, der Lauch in ca. 3 x 3 cm große Blattstücke. Unter Zugabe von 2 Prisen Haushaltsnatron habe ich es blanchiert, mit eiskaltem Wasser abgeschreckt und anschließend sanft in etwas von der köstlichen Brühe aus dem Fleischtopf garziehen lassen. Blanchieren, Abschrecken und die Zugabe von Natron sorgen dafür, dass das Gemüse Geschmack und Farbe behält. Kocht ihr es einfach in Brühe aus, wird es am Ende blass und relativ farblos sein, und ebenso schmecken.
Meerrettichsauce aus frischer Meerrettichwurzel
Mittlerweile gehören Meerrettichwurzeln zum Standardsortiment von Gemüsetheken, es gibt also keine Ausrede mehr, auf Glasware zurückzugreifen. Für die Saucenmenge für einen verfressenen Liebsten 4 Personen habe ich 1/2 Wurzel verwendet. Diese wurde geschält, in 5 Stücke geteilt und diese samt 1/2 TL englischen Senfpulvers und etwas Brühe aus dem Topf in einem starken Blender (hier: Vitamix) zu einer feinen Paste gemixt. Wenn ihr keinen Blender habt, der euch diese Arbeit abnimmt, müsst ihr die Wurzel reiben. Achtung: Die aufsteigenden Dämpfe nicht direkt einatmen, sie sind durch das austretende Senfölglycosid Sinigrin, das sich enzymatisch in Allylisothiocyanat umwandelt, stechend scharf und können in Rachen und Augen ordentlich brennen!
Die Paste kam in einen kleinen Topf und wurde mit weiterer Brühe zu einer Creme verlängert, mit etwas Sahne aufgegossen und durch langsames Reduzieren bei mäßiger Hitze zu einer cremigen Sauce gekocht. Ist die Sauce zu scharf, gebt ihr weitere Sahne und Brühe hinzu, hat sie euch zu wenig "Bumms", spendiert ihr weiteren Meerrettich. Tastet euch an die für euch passable Schärfe einfach langsam heran.
Sorbisches Hochzeitsessen
Zum Servieren verwendet ihr am besten einen tiefen Teller. In diesen kommt Gemüse, darauf ein oder zwei Scheiben vom Fleisch, dann wird alles von köstlicher Brühe umgossen (ihr könnt Gewürze und Suppengemüse vorher herausfiltern, wenn sie euch stören) und obenauf kommt die Meerrettichsauce, die sich sämig über das Fleisch hinweg in die Brühe zieht. Ich selbst konnte davon übrigens gar nichts essen, da ich das Gericht an meinem 13. Fastentag für den Liebsten gekocht habe und heute, am 15. Tag, an dem ich es aufschreibe, tropft mir auch nur ein ganz winziges bisschen der Zahn... Aber ich weiß ja, wie es schmeckt. Das Fleisch ist saftig und butterzart, das Gemüse noch mit Biss und dennoch in Verbindung mit Brühe und Sauce sehr cremig. Die Schärfe des Meerrettichs zieht langsam durch die Nase hinter die Stirn und der ganze Körper ist mit Schmecken und Fühlen beschäftigt. Hmmmmm.....
Eines der Bilder habe ich auf Instagram gepostet, wo mir jemand schrieb, dass es sich hierbei um ein "Sorbisches Hochzeitsessen" handeln würde. Der Gedanke, eine Ehe mit etwas so Köstlichem, einem die Seele so schmeichelndem Essen zu beginnen, ist mir ein sehr schöner!
Serviceteil
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- Den Hinweis auf das sorbische Hochzeitsessen gab Susanna, danke noch einmal dafür!
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Genießt euren Tag!
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Ach, es war mir eine Freude etwas Lovestory zu diesem leckeren Gericht beisteuern zu können :)). Liebe Grüße, der Jemand...oder auch Susanna
AntwortenLöschenarrgghhh! Genau! Danke liebe Susanna, ich wollte noch nachsehen, wer es war, während ich den Text geschrieben habe. Habe Dich jetzt flugs erwähnt :)
AntwortenLöschenLieber Gruß!
Dankeschön, liebe Astrid! <3
AntwortenLöschenAch. Eines meiner liebsten Gerichte, wenn auch hier meistens nicht mit Bouillongemüse, sondern mit schlichten Kartoffeln <3
AntwortenLöschenLeider bin ich meistens zu faul zum selbst machen, da man es hier um die Ecke sehr gut im Restaurant bekommt und Herr Kamafoodra nicht so gerne Meerrettich mag ;-)
Auch eines meiner Leibgerichte von Kindheit an - der erste Selbstversuch geriet allerdings gruselig. Mittlerweile hab ich mehr Koch.Erfahrung und könnte da doch mal wieder drangehen...
AntwortenLöschenJaaaaa. Ich wartete beim Lesen, dass das sorbische Hochzeitsessen erwähnt wird. Und es wird!
AntwortenLöschenEs gab dieses Gericht nicht nur zwingend zur Hochzeitstafel, meine Tante kochte es auch zu hochheiligen Feiertagen. Und der Onkel musste den Meerrettich reiben. Die Soße wurde dann noch mit Eigelb legiert. Es gab dazu übrigens nicht Kartoffeln sondern Scheiben eines dunklen Roggenbrotes. Hach, Kindheitserinnerungen...
Liebe Grüße von Bastel, die jetzt weiß, was sie zu Ostern kochen wird
Liebe Britta,
AntwortenLöschenin so einem Restaurant um die Ecke wäre ich Stammgast! Wie man keinen Meerrettich mögen kann, ist mir allerdings ein Rätsel.
Liebe Anna,
AntwortenLöschennur Mut!
Liebe Bastel,
AntwortenLöschenwie gut, dass Susanna mich drauf gebracht hat, ich kannte das sorbische Hochzeitsessen vorher ja gar nicht. Bloggen macht schlau!
Und mit Ei legierte Saucen sind der Himmel auf Erden!
das ist nicht nur "Sorbisches Hochzeitsessen"-als "Siedfleisch mit Meerrettischsoß' -" gehört es traditionell auch zur Schwäbischen 'Hochzich'
AntwortenLöschenLiebe Dodi,
Löschenich überlege die ganze Zeit schon, wie ich nochmal heiraten könnte, allein wegen des Essens!
;)
Wunderbar, das steht bald auch bei uns wieder an, eine der diversen Merrettich-Wurzeln muss dran glauben, aber meine Frau ist von denen sowieso genervt ;-)
AntwortenLöschenSenfpulver, gibt es da überhaupt ein anderes? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, wie soll das denn gehen?!?