Urlaub in Domburg, Holland, Teil 2 - Middelburg, Zeeland
Es waren einmal
zwei Ameisen
die wollten nach Australien reisen
doch bei Altona auf der Chaussee
da taten ihnen die Beinchen weh
und so verzichteten sie weise
auf den letzten Teil der Reise.
Joachim Ringelnatz
Da ist der normale Familienurlauber ja ganz anders. Der ist so begeistert von der Umgebung, dass er lediglich auf die Weiterreise nach Maastrich und Antwerpen verzichtet und beschließt, sich dort ein anderes Mal den Bauch vollzuschlagen. Und so wird das Hotelzimmer noch ein paar Tage verlängert und die Umgebung erkundet.
Heute geht´s nach Middelburg.
Die Hauptstadt Zeelands mit ca. 42.000 Einwohnern war während des Goldenen Zeitalters im 17. Jahrhundert die reichtste Stadt der Niederlande. Ihre Einnahmequellen in dieser Zeit waren in der Hauptsache Handel auf der Ostsee, Sklavenhandel, Kaperfahrten und Piraterie.
Mit dieser Stadt fühle ich mich auf Anhieb verbunden als ich erfahre, dass sie bereits 1508 der einzige Umschlagplatz für Wein in den ganzen Niederlanden war, ihr offizielles Geburtsjahr war schon 1217, da verliehen Graf Willem I von Holland und Johanna von Flandern ihr die Stadtrechte. Middelburg lag günstig an der Scheldemündung und somit am Knotenpunkt großer Handelswege. Dadurch diente sie als Vorhafen für die Seeschiffe, die aufgrund ihrer Größe die Städte Antwerpen, Bergon op Zoom und Brügge nur schwer erreichen konnten. 1405 bekam Middelburg das sogenannte Stapelrecht, was bedeutete, dass alle Waren, die in der Westerschelde eingeführt werden sollten, in Middelburg gelöscht werden mussten. Dazu gehörten Wolle aus England, Tuch aus Flandern und eben Wein aus Frankreich.
Wie schon in meiner Geschichte vom Gin berichtet, unterdrückte ab 1555 Philipp von Spanien die Niederlande barbarisch. Um ihre Vormachtsstellung als Handelsmetropole nicht zu riskieren, leisteten die Middelburger keinen Widerstand gegen die Besetzung und erzürnten damit die prinzgetreuen Geusen. Diese eroberten 1572 die Provinzen Holland und Zeeland. Nach schlimmer Belagerung und dem Verzehr sämtlicher Haustiere kapitulierte der spanische Befehlshaber Mondragon am 23. Februar 1574, womit viele der Privilegien Middelburgs verloren gingen.
Eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Middelburgs begann am 17. Mai 1940 durch die Bombadierung der Deutschen, da Zeeland sich dem Hitler-Regime noch nicht ergeben hatte. Mehr als 600 Häuser gingen in Flammen auf, prachtvolle historische Bauwerke wie die Abtei, das Rathaus und das Haus der ostindischen Kompanie brannten nieder. Vier Jahre später gab das Bombardement der Alliierten der geschundenen Stadt endgültig den Rest. Aber bald nach dem Krieg begann der Aufbau, Vieles wurde restauriert, das aktuell wieder lückenlose, historisch wirkende Stadtbild basiert auf einer großflächig geplanten Rekonstruktion in den Nachkriegsjahren. Mit über 1100 Denkmälern gehört Middelburg heute wieder zu den schönsten Städten in Holland.
Vieles davon kann man auf einer Grachtenrundfahrt sehen. Dabei heißt es den Kopf einziehen, denn einige der Brücken sind so niedrig, dass die flachen Boote sonst nicht darunter herfahren können.
Das tut aber dem Spaß keinen Abbruch, ganz im Gegenteil...
Potemkinsche Dörfer in Holland!
Auf dem unteren Bild erkennt man, wie die Fassade künstlich verbreitert wurde. Der Giebel läuft durch das Zimmer in der Mitte, der Raum rechts ist ein Fake, inklusive des aufgemalten Bettgestelles.
Leben auf dem Wasser - ganz normal in Middelburg
Die Luxusvariante...
Hippie-Style - inklusive des rosa lackierten Bettgestelles zum Träumen unterm Sternenhimmel
Die Gasse an diesem Haus ist so schmal - nur 80 cm breit - in ihr lernen die Middelburger Kinder Fahrradfahren, da sie nicht umfallen können...(sagt die Legende *g*) Dafür ist die Tür am Haus mal wieder ein Fake, sie wurde beim Bau einfach vergessen (zuviel Genever?), so dass die Bewohner bis heute die Tür des Hauses rechts davon mitbenutzen!
Auf den zweiten Blick erkennt man an den Giebeln, dass das Haus in der Mitte wirklich eines ist - das schmalste Haus von Middelburg hat gerade ein Außenmaß von 1,80 m, innen sind es ca. 1,60 m. Alle Räume liegen hinter- und übereinander.
Ein bisschen nachdenklich verlasse ich diese schöne Stadt. Das ist das Schwierige in Holland, dass einem bei jedem Schritt und Tritt Dekaden in der unrühmlichen Geschichte des eigenen Landes begegnen. Besonders bedrückend wurde uns das am nächsten Tag in Westkapelle vorgeführt - aber davon ein anderes Mal mehr.
To be continued...
Genießt euren Tag!
Scheint ja eine sehr schöne Stadt zu sein. Danke, dass ich auf die Reise mitgenommen wurde.
AntwortenLöschenSchöner Ausflug! Ich dachte immer, die schmalsten Häuser Europas hätten die Briten gebaut. Aber die Niederländer übertreffen sie noch.
AntwortenLöschenDeine Bedrücktheit kann ich gut verstehen.
Die schlimmsten Beklemmungen und Schuldgefühle, was die Verbrechen meines Landes betrifft, hatte ich in Kreta. Da kam ich beim Wandern in Dörfer, in denen jeder Familie Angehörige ermordet wurden oder begegnete alten Männern, die in meiner Heimatstadt in Lagern interniert waren. Und diese Menschen waren auch noch freundlich und sprachen Österreichisch mit uns.....
sowas trifft einen dann in den schönsten Wochen im Jahr wie ein Hamerschlag. Ich sehe auch jedem älteren Holländer seine eventuell vorhandene Abneigung den Deutschen gegenüber nach, was mich traurig macht und erschrickt, ist, wenn junge Niederländer auf Deutsche schimpfen oder sie als Touristen unhöflich behandeln.
AntwortenLöschenAber zum Glück ist es sonst ein ausgesprochen nettes Volk - und wenn man meinem Mann glauben soll - auch ein sehr Hübsches ;)