Heute schreibt hier Oliver, mein kleiner Bruder, Arthurs Sohn und ehemaliger Weinverkäufer, zum Thema: Ungeschwefelter Wein, Wein ohne Histamin – für alle Unverträglichkeiten gewappnet
»Frollein, hier auffer Flasche steht, daß da Sul... äh... Sulfite? drin sind! Haben sie denn keinen ohne?« - »Ja, nee - weiß auch nech! Mussich mal fragen!«
Kunden auf der Suche nach Weinen ohne Schwefel und ohne Histamin
Die Kundin, die sich nach dem Studium des Rückeneticketts einer Flasche Wein bei der Kassiererin nach den Sulfiten erkundigt hatte, reckte die Flasche in die Höhe wie eine Trophäe. Fast so, als hätte sie den Bioladen bei einer vermeintlichen Mogelei ertappt.
Nur mühsam konnte ich den Impuls unterdrücken, mich mehr oder weniger kompetent einzuklinken und Kundin sowie Verkäuferin über die Sache mit dem SO2 aufzuklären.
Da ich aber schon in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen damit gemacht hatte, Wissenslücken bei Verkäuferinnen und Kundinnen in Supermärkten oder Drogerien zu schließen, entschloß ich mich dazu, lieber die Zähne zusammenzubeißen und außerhalb des Ladens einmal tief durchzuatmen.
Diese Szene hat sich genau so vor knapp einem Jahr im Bioladen meines Vertrauens zugetragen und ist möglicherweise sogar repräsentativ für die relative Verwirrung, die bezüglich (un)erwünschter, erlaubter oder allergener Stoffe in Weinen bei einigen Konsumenten herrschen dürfte.
Als meine Schwester mich heute (ausgehend von einer Histamin-Diskussion in den Kommentaren) gefragt hat, ob ich denn nicht - wie zu allem ;) - hier mal meinen Senf dazugeben könnte, dachte ich, dass ich ja einfach auf das zurückgreifen könnte, was ich in meiner Zeit als Bioweinverkäufer auch Kunden auf entsprechende Anfragen geantwortet habe. Um das Ganze nicht zu sehr ausufern zu lassen, beschränke ich mich auf den Wein. Was Histamin in Lebensmitteln angeht, wurde das Wichtigste im Prinzip schon gesagt und bedarf wenig Ergänzung.
Seit 2005 besteht eine EU-weite Kennzeichnungspflicht für Sulfite (die Salze der Schwefelsäure) im Wein. Die Aufschrift "Enthält Sulfite" scheint aber bei vielen Menschen die Assoziation auszulösen, daß es sich hier um eine unerwünschte Verunreinigung handele, die schlimmstenfalls krank machen könne.
Dabei ist es nahezu unmöglich, komplett schwefelfreien Wein herzustellen, da Schwefeldioxid (SO2) ein Stoffwechselprodukt der Hefen ist.
Der Schwefelgehalt im Wein unterliegt generell einer gesetzlichen Höchstgrenze abhängig vom Restzuckergehalt des Weines (je trockener der Wein, umso weniger Schwefel ist zugelassen).
Nun dürfte schon klar sein, daß somit "sogar" Bio-Wein nicht ohne Sulfite auskommt.
Daneben wird Schwefeldioxid in der Weinherstellung auch zugesetzt, um die Weine zu stabilisieren und haltbar zu machen. Teilweise werden damit auch Gärprozesse gestoppt (bei nicht-trockenen Weinen).
Hier kommt dann aber doch immerhin ein gewisser Untschied bei den Bioweinen zum tragen, denn die (deutschen) Bio-Winzer haben sich freiwillig verpflichtet, die gesetzlich zugelassenen Grenzen höchstens zu 2/3 zu erreichen.
Würde man auf den Zusatz von SO2 komplett verzichten, so wären die Weine nur sehr kurz haltbar und kaum lagerfähig. Auch wären sie so oxidationsanfällig, daß eine geöffnete Flasche schon sehr bald ihren Geruch und Geschmack verändern würde.
Bei Diskussionen zum Schwefel im Wein sollte man auch nicht vergessen, daß neben Wein auch Trockenobst oder Fruchtsäfte mit SO2 haltbar gemacht werden und deutlich höhere Mengen an Schwefel aufweisen als die meisten Weine.
Was die Bekömmlichkeit von Wein angeht, so scheinen manche Menschen tatsächlich empfindlich auf den Schwefel im Wein zu reagieren, allerdings enthält Wein auch umso mehr Schwefel, je "unsauberer" im Keller gearbeitet wurde. Also könnte es sein, dass bei besonders unbekömmlichen Weinen gar nicht unbedingt der Schwefel, sondern andere Nebensubstanzen wie Fuselalkohole der Auslöser waren oder ein besonderes Zusammenspiel zwischen Schwefel, Säuren und anderen Stoffen vorliegt. Gesundheitsschädliche Wirkung, vor allem in der Menge, die in einer Flasche Wein enthalten ist, konnte bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.
Schließlich produziert sogar der menschliche Körper bei der Verstoffwechselung von Proteinen Schwefeldioxid, welches ebenfalls die Menge an SO2 im Wein um ein vielfaches überschreitet. Dieses im Körper gebildete SO2 wird als harmloses SO4 ausgeschieden, was auch mit dem SO2 aus dem Wein geschieht.
Man könnte also überspitzt sagen, daß häufiger Fleischkonsum in Bezug auf die "Belastung" mit Schwefeldioxid kritischer ist, als der tägliche Schoppen Wein. Darauf genehmige ich mir als Vegetarier erst einmal einen kräftigen Schluck! :)
Solange man seinen Wein nicht im Supermarkt, sondern im Fachhandel kauft, dürften empfindliche Menschen – zumindest auf Nachfrage – auch entsprechende Analysewerte mit dem genauen Schwefelgehalt jedes Weines erhalten, da viele Produzenten und Importeure diese Werte ihren Händlern heutzutage automatisch zur Verfügung stellen.
Beim nicht nur Allergien, sondern auch diesen Post auslösenden Histamin ist die Sache leider nicht so eindeutig. Höchstgrenzen gibt es ohnehin keine und bislang werden Weine auch nicht daraufhin analysiert (da nicht deklarationspflichtig). Jedoch gilt auch hier das Gleiche wie beim Schwefel: komplett histaminfreien Wein kann es prinzipbedingt nicht geben, da aufgrund der biochemischen Prozesse immer auch Histamine in Wein vorkommen werden.
Was aber tun, wenn man als Allergiker bekanntermaßen auf das Histamin in Lebensmitteln und Wein reagiert? Als Faustregel gilt, daß Weißwein normalerweise deutlich weniger Histamin enthält als Rotwein, daneben ist Wein aus warmen, südlicheren Regionen in der Regel histaminhaltiger als Wein aus kühleren Gegenden.
Auch der Säuregehalt kann einen Anhaltspunkt bieten. Einerseits ist Histamin auch ein Nebenprodukt der malolaktischen Gärung, die spontan vor allem bei höheren Umgebungstemperaturen auftritt (daher u.a. auch der höhere Gehalt in "südlichen" Weinen).
Verbunden mit der malolaktischen (oder auch Milchsäure-) Gärung ist eine Reduktion des Gehalts an Apfelsäure, was die Weine milder und weniger "spritzig" macht. Bei Rotwein wird diese Gärung in der Regel gezielt herbeigeführt, daneben ist Rotwein auch aufgrund der Inhaltsstoffe aus den Traubenschalen bezüglich des Histamins gehaltvoller. In der Vergangenheit hat sich spanischer Rotwein erfahrungsgemäß als besonders histaminhaltig gezeigt, aber wer weiß, wie lange das im Zuge der Internationalisierung auch der Weinbereitung sowie der Klimaveränderungen noch Bestand haben wird.
Für einen potentiell geringen Histamingehalt müßte man also säurebetontere Weine aus kühleren Regionen empfehlen, wie z.B. Grüner Veltliner oder Riesling aus Rheinhessen oder der Pfalz. Was aber auch nicht heißt, dass diese Weine immer wenig Histamin enthalten werden, nur eben in der Tendenz weniger als die allgemein "Verdächtigen".
Dies kann daher nur als eine grobe Orientierung dienen, da zusätzlich natürlich auch noch die Technik im Weinkeller, Jahrgangsunterschiede sowie anschließende Reifung großen Einfluß auf den resultierenden Histamingehalt haben können. Eine Aussage, wie z.B. daß Weine aus Burgund immer histaminhaltiger seien als aus Bordeaux (oder ähnliche Vergleiche), läßt sich meiner Ansicht nach daher nicht halten.
Allergiker werden sich also weiterhin "herantasten" und gegenseitige Empfehlungen aussprechen müssen. Ich habe aber ohnehin nichts dagegen, wenn es ein paar weniger Leute gibt, die mir begrenzte Mengen einer Muga Selección Especial streitig machen können.
Genießt euren Tag!
schlimmer finde ich die extrem hohen Pestizid-Anteile im Wein, sogar im Château Lafitte und Margaux!!!
AntwortenLöschenIch verkneife mir auch meist Kommentare in Läden. ;-)
AntwortenLöschenDanke für die Aufklärung; was Histamin angeht, war mir das nicht so bewusst. Mir ist die letzten 2,3 Jahre nur aufgefallen, dass ich inzwischen bei den meisten deutschen Weißweinen Kopfschmerzen kriege (1/2 Glas reicht, 1 Flasche italienischer Rotwein ist kein Problem) - das liegt dann an irgendetwas, nicht an Histamin.
Herzlichen Dank für die Zusammenfassung.
AntwortenLöschenLaut Jarisch, kann man alkohol. Getränken Histamin entziehen, daher gehe ich in Anlehnung der Studienergebnisse nicht mit dir konform.
Der Körper kann auch körpereigenes Histamin bilden und dies kann durch Zufuhr bestimmter Stoffe übermäßig angeregt werden. Man spricht dann von einem Histaminliberator.
In nachfolgender Studie, die HIT mit anderen Intoleranzen vergleicht, gibt es übrigens Untersuchungsergebnisse über den Histamingehalt deutscher, spanischer und österreichischer Schaumweine. http://tiny.cc/KPgo9
Das stimmt dann mit deinen Ausführungen nicht überein, Produkte aus südlichen Gebieten wären stärker histaminhältig als weiter nördlich gewachsene. Dann müsste nämlich Österreich nördlichen von Deutschland liegen.
Bevor du jetzt einen Kopfstand bezüglich meiner Behauptungen machst, lass ich andere bezüglich ihrer Recherchen und Erfahrungen zu Wort kommen. :-)
@ente, hihi, den Kopfstand überlasse ich mit Handkuss meinem Bruder, der diesen Beitrag verfasst hat und bitte auch zu den Einwendungen der Leser Stellung nehmen möchte. Dies wird er mit Freuden sicher auch tun! ;)
AntwortenLöschenInteressant zu wissen. Das mit dem Histamin hat A. nach unserer Wein und Schokoladenprobe am eigenen Leib erlebt. Ich bin da glaub ich nicht so empfindlich...aber danke für die Info.
AntwortenLöschenTheorien und Tabellen mit Histamingehalten mögen recht sein. Beurteilung in der Praxis ist besser. Nach 40 Jahren Übung im Weintrinken weiss ich inzwischen, von welchen Weinen ich wenig, etwas mehr oder viel vertrage. Ich beurteile die Weine einfach aufgrund ihrer Nachwirkungen. Bei mir ist das einfach so, dass ich nach zwei Gläsern Burgunder oder Spaniern nicht mehr schlafe, mit derselben Menge Bordeaux hingegen problemlos. Das Alter es Weins spielt dabei keine grosse Rolle.
AntwortenLöschen@lamiacucina: Also schlafen kann ich immer. Wie ein Pferd! Egal, wie viel Wein ich getrunken habe. Je mehr, desto pferdiger. :-D
AntwortenLöschen@ente: Danke für den Link. Ich sehe aber gar keinen Widerspruch, da ich über Schaumweine nichts geschrieben habe und dazu auch nicht viel sagen kann.
AntwortenLöschenDas Verfahren, mit dem man dem Wein Histamin entziehen kann, ist mir nicht bekannt. Wäre es wirtschaftlich in der Masse einsetzbar, würde es aber sicherlich inzwischen auch "Allergiker-Wein" im Handel geben. Möglich wäre auch, daß dieser Entzug mit geschmacklicher Beeinträchtigung einhergeht.
Letztlich soll man Wein sogar schon Alkohol entzogen haben. ;)
@lamiacucina: Ist doch prima, wenn Du weißt, welche Weine funktionieren und welche nicht. Probieren geht eben über studieren, obwohl das bei Allergien natürlich nicht immer ganz ungefährlich ist.
Ich könnte mir auch gut vorstellen, daß im Bordeaux die malolaktische Gärung früher unterbrochen wird oder teilweise gar nicht zustande kommt. Gerne würde ich Michel Rolland darauf ansprechen, sollte er mir einmal begegnen. :)
Irgendwie auch eine gute Strategie, falls einem ein Gastgeber immer einen wenig genehmen Wein kredenzt. Dann sagt man einfach, daß man diesen Wein leider überhaupt nicht verträgt. Bei Château Ausone dagegen - keinerlei Probleme! :D
Für die damaligen Erkenntnisse ist dieser Artikel nicht schlecht. Aber es bedürfte dringend einer Aktualisierung. Erstens gibt inzwischen gute „schwefelfreie Weine“ (=Wein ohne Schwefelzusatz) und zweitens gibt es sowohl in Deutschland als auch in Österreich Winzer die „histaminfreien Wein“ (darf laut gesetzlicher Vorschriften seit dem 1.1.2015 nicht mehr so genannt werden) ausbauen. Und übrigens sind zumindest die „schwefelfreien“ Rotweine (aus Spanien, Italien, Deutschland) sehr wohl einige Jahre lagerfähig. Und Leute die keine Histamine vertragen, brauchen zumindest wenn sie sich mit österreichischen oder deutschen Weinen zufrieden geben nicht mehr experimentieren.
AntwortenLöschen...hab ich auch schon öfter gehört, dass es mittlerweile gute schwefelfreie Weine geben soll - nur ist mir bisher keiner untergekommen :) zugegebenermaßen habe ich auch noch nicht so viele probiert.
AntwortenLöschenAber das ist wohl auch etwas Geschmackssache und man muss bereit sein für aromatische Abenteuer...hatten kürzlich auch einen Rotwein aus Spanien: bio, vegan und schwefelfrei. Hört sich zunächst gut an, war aber eine echte Herausforderung:
http://www.tasteslikewine.de/2016/07/27/s-low-rotwein-ohne-schwefel-schmeckt-das/
Erstmal sorry für mein spANISCH-DEUTSCH: Seit ca. 2 jahren hatte ich abends Kopfschmerzen.Immer Tabletten dagegen. Ich hatte Angs von ein Thumor am kopf. Ging rein in diese Rohre MRT glaube ich. Kein Thumor.Der Artzt sagte mir ich soll bei mir forschen usw.usw. Habe ich gemacht. Resultat SULFITE in Wein war der Übel täter. Seit ca.10 monate habe ich kein Wein mehr getrunken. Resultat keine Kopfschmerzen. Selten habe ich ein Glas Freischenet oder weiss od.rose Wein, dann Kopfschmerzen. Ich habe mich entschlossen nur Stilles Wasser zu trinken. Ist gesunder als Wein , und ich habe keine kopfschmerzen mehr. Aber ich bin jetzt auf der Suche von Weiss Wein die Sulfitfrei ist. Habe gefunden.Werde ich kaufen und auch testen..mal sehen. Aber als ich junger war, konnte ich bei essen ein Glas Wein geniessen und hatte keine K.Schmerzen. Der Körper ändert sich im Alter.....glaube ich!!!!!Hormonell u.a.
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