Zwei alternde Nachahmer. Rezept für Hähnchen in Pastis mit Tomaten, Fenchel und Hirse. Dazu etwas Rausch von der Grünen Fee
1915 war der Spaß vorbei. Ausgerauscht. Die grüne Fee hatte ausgesummt. Absinth wurde – in der Schweiz um das Jahr 1730 herum als Heilelexier erfunden – schlussendlich auch in Frankreich verboten.
Nach einem spektakulärem Mordfall 1905 in der Nähe von Genf, bei dem ein Arbeiter im Alkoholrausch seine schwangere Frau und beide Töchter erschlug, war dies Wasser auf die Mühlen der Absinthgegner, hatte der Täter doch zuvor nicht nur die übliche wie tägliche Viele-Liter-Ration Wein getrunken, sondern ebenso einige Gläser Absinth intus.
Belgien reagierte sofort mit einem Verbot, 1919 auch die Schweiz (damals schon modern per Volksabstimmung), 1915 folgte Frankreich hintenan. Zugeschrieben wurde die verheerende Wirkung des Absinth seinem Bestandteil Thujon, einem Nervengift, das ebenso in Salbei enthalten ist. Als sichergestellt darf aber gelten, dass die Zustände der Absinthberauschten eher auf die Menge billigen Alkohols, denn auf die des darin enthaltenen Thujon zurückzuführen waren.
Als Ersatz stellten Bauern in der Provence alsbald ein Getränk her, das wohl kein Thujon aber weiterhin den geliebten Anis enthielt und nannten es "Pastiche", Nachahmung.
Ein Fläschchen Nachahmung musste ich mir nun kaufen, um eine weitere zu betreiben.
Nata kochte Huhn in Pernod, der streng genommen wohl kein Pastis ist, sondern ein Anisée (liegt das am Wermuthgehalt? Ich muss da nochmal recherchieren). Auf in den Supermarkt, an dessen Kasse ich ohne Zögern oder Nachfragen der Angestellten ein Fläschchen Pastis bezahlen durfte. War es nicht erst gestern, als ich beim Erwerb von Spirituosen noch nach meinem Ausweis gefragt wurde? Winken sie mich jetzt in Zukunft ebenso gelangweilt an der Kinokasse durch und verkaufen mir Karten für Filme mit FSK 18? Wie doch die Zeit vergeht.... Man tut so dies und das und schon ist es ein halbes Leben...
Nachdenklich ging ich nach Hause um zu "grüner Stunde" bei einem Gläschen Pastis die Last des Alterns zu vergessen.
Aber dann wurde gekocht!
Tomaten, Fenchel und viel frischer französischer Knoblauch dienten als Bett für
Hähnchenkeulen mit Sternanis, Fenchelsamen, Macisblüte, etwas Ingwer, Pfeffer, Salz und einem Hauch Zimt gewürzt.
Diese durften ca. 1 Stunde im Ofen schmurgeln und wurden dabei 2 oder 3 mal mit einen Gläschen Pastis begossen. Die Köchin auch.
Mit Hirse, dem geschmorten Gemüse und in feinem Pastissud serviert, war das Hühnchen ein Gedicht und veranlasste P. zur Aussage, dafür fast einen Mord zu begehen. Ich hoffe, es war der Genuss-Rausch, der aus ihm sprach.
Aus den Resten wurde am nächsten Tag ein Salat bereitet und diesem ein paar mit Ingwer aromatisierte , gebratene Riesengarnelen an die Seite gestellt.
Off Topic
Nach reichlichem Genuss eines nahen griechischen Verwandten des Pastis, dem Ouzo, geriet eine Freundin von mir vor einigen Jahrem in eine Polizeikontrolle. Auf die Frage, ob sie Alkohol getrunken hätte, lallte sie lachend: "Nur ousounso". Ein weiterer Vorteil. Die Namen dieser feinen Schnäpse sind so kurz, dass man sie auch nach erweitertem Genuss und erhöhtem Alkoholspiegel immer noch fast fehlerfrei aussprechen und nachbestellen kann. Wobei Nachbestellungen auf Polizeiwachen nur ungern entgegengenommen werden.
Eine weitere Geschichte im Blog zum Suff und seinen Folgen findest Du hier:
Genießt euren Tag!
Ja, ja das mit dem Ouzo...
AntwortenLöschenDa hab ich auch so einige Erfahrungen, davon war mir ou sooo schlecht!!!
Aber das Huhn nehm ich!
Sehr schön weitergesponnen! Die Grundidee besteht ja nur in Huhn + Anisschnaps + Knoblauch. Aber mit Sternanis + Fenchel kriegt das Ganze nochmal die volle Dröhnung. - Werde ich dann vielleicht auch mal so machen. Auf alle Fälle sollte ich mal wieder Hirse machen. Die hatte ich ewig nicht...
AntwortenLöschenHatte noch nichts zum Abendessen heute... Hmmm... man sollte Deinen Blog nicht mit leerem Magen lesen! Der fühlt sich danach nämlich doppelt so leer an! :-).
AntwortenLöschenGrüßle,
Tanja
Also der Magen, und nicht der Blog! Und jetzt auch der Kopf beim Formulieren der Sätze... :-)
AntwortenLöschenDoppel-Grüßle
Tanja
Hübsches Bett für die leckeren Schenkelchen! Und Pastis kann ich trinken wie Wasser. Na gut, nicht ganz. ;-)
AntwortenLöschenOuzo und Pastis ist fuer mich der Sommeraperitiv - schon den milchigen Wellen zuzusehen die sich im Wasser bilden macht mir Spass! Wuerde mich doch interessieren Anis mit Huhn schmeckt. Das habe ich bis jetzt noch nie probiert.
AntwortenLöschenOh ja, der Absinth war schuld als ich eines Abends mit zwei Iren in einem Prager Kellerlokal, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, bis zur Wolfsstunde im Morgengrauen die Gläser leerte...
AntwortenLöschenund mit Kopfschmerzen davon wieder
erwachte :-)
Auf die Gefahr hin, über die Maßen kapriziös oder Marken-hörig zu wirken: Aber bin ich der einzige, dem nicht egal wäre, ob da Pernod oder Ricard drin ist?
AntwortenLöschenMeine Lieblingsanwendung von Pastis in der Küche (neben dem obligatorischen Schuß in die Bouillabaise : Jakobsmuscheln mit einer Reduktion von Safran und RICARD.
Muss ich mal mit Ouzo probieren. Klingt ja toll.
AntwortenLöschenIch habe auch noch drei Fläschchen Absinthe aber kein Huhn. Toll finde ich die Plakate, die um die Jahrhundertwende für und gegen Absinthe entstanden sind.
AntwortenLöschensiehe: http://lamiacucina.wordpress.com/2009/02/01/im-reich-der-grunen-fee-1/ mit weiterem link auf das virzuelle Absinthemuseum.
Deine Bilder und Texte sind wirklich toll, komme wieder öfter vorbei, war halt lange abstinent, bloggers anonymous, nicht im Blauen Kreuz :-), und habe jetzt einen Rückfall.
AntwortenLöschen@Frau Kampi:
AntwortenLöschenmit "Southern Comfort" hat man es da schwerer... :))
@Nata: Hirse und Pastis. Beide völlig unterschätzt! :))
@Tanja: Hier wirste verstanden! Ob mit vollem oder leerem Kopf! :)
@Jutta: Das ist der "Louche-Effekt".Ich habe den auch gern! Er wirkt so entspannend!
@Andreas: ich kann Deinen Kommentar lesen, so oft ich will, es kommt immer "als ich eines Abends mit zwei Irren"... dabei heraus :))
@Tobias: Geht mit Ousoundsogenauso!
@Marqueee: Pernod ist ja wohl auch kein Pastis, sondern ein Anisée, Ricard wiederum ein Pastis. Zu Krustentieren ist mir Anis schon häufiger begegnet, (mit Jakobsmuscheln ´ne Bombe!)zu Geflügel bisher noch nicht.
@Lamiacucina: Danke für den Link! Und ein Hühnchen kommt bestimmt mal wieder um die Ecke geflogen!
@Houdini: Schon mal an die Gründung einer Selbsthilfegruppe gedacht?
Ich freu mich, Dich wieder häufiger hier zu sehen! :)
Hallo,
AntwortenLöschenPastis enthält einen deutlichen Anteil Lakritz der im Anisée, wenn überhaupt, nur in geringerem Maß enthalten ist. So zumindest meine Meinung nach jahrelangem Studium des Getränks! :P
ich wollt, ich wär ein huhn!
AntwortenLöschenLange hat der Absinth gebraucht, um wieder zurück zu kommen: inzwischen gilt es ja wieder als schick, mit Absinthglas und -löffel zu hantieren. Im Cafe Slavia in Prag hat dieses Ritual nie aufgehört zu existieren. H. hat sich voll Begeisterung, nach einem Besuch von "Jenufa" in der gegenüber liegenden Oper, mit Absinth betschickert. Ich bevorzuge einen richtig scharfen Ouzo aus Plomari (Lesbos), aber nur vor Ort. Ein Hauch Pernod passt wunderbar zu Flusskrebsen ...
AntwortenLöschenPastis nutzen wir viel, seit mein halbvegetarischer Mitesser in Toulouse verweilte. Unsere einst vor Jahren in Berlin erstandenen Absinthvorräte sind dagegen längst aufgebracht, ohne dass die Fee uns auch nur eines Blickes gewürdigt hätte.
AntwortenLöschenFenchel und Pastis gehen immer und das Abendessen ist für heute gerettet, danke :-).
AntwortenLöschen@Alex:
AntwortenLöschenwie könnte ich einer Pastis-Studentin widersprechen! :)
@Kommando Mardermann:
dann tränkst Du auch mal ´n Korn?
@Eline: ohja, Prag! :))
@Schnick Schnack Schnuck: Feen sind unberechenbare Wesen. Kommen und gehen wie sie wollen!
@Milliways:
Ich freu mich über einen Bericht!
Ich sitze gerade hier mit milchigem Pastis zu meiner Linken und Absinth (ist ja wieder legal!) zwei Meter weiter im Barschrank. :-)
AntwortenLöschenDas Hühnchen kommt auf die Nachkochliste, die Aromen sind sicher super!
Wir haben einen großen Busch Wermut im Garten, da bin ich auch immer phantasielos...
@Barbara:
AntwortenLöschenWermut als Kraut habe ich noch nie verarbeitet. Ich nutze ihn immer nur in flüssiger Form. :)
2 m sind keine große Entfernung! Die kann man/frau mit Strecken, Vornüberbeugen und Arme ganz lang machen überwinden, ohne sich aus dem Sessel zu erheben. :)
Sternanis benutze ich nach schlechter Erfahrung (zu hoch dosiert) nur noch zackenweise, war das nicht ein bisschen viel?
AntwortenLöschenAbsinthrausch hatte ich noch keine, auch wenn ich oft in Prag war. Aber wenn Du was zu Bier... ;o))))
@Toni:
AntwortenLöschenich weiß nicht, ich kann nur vermuten: vielleicht war mein Sternanis auch einer der Alternden? Zumindest war er nicht überdosiert. Wie lange hält denn so ein Sternchen? Ich bewahre meine in Schraubverschlussgläsern auf, in den Tiefen einer dunklen, dunklen Küchenschublade, aber wer weiß...
Ein Absinthrausch ist auch an mir persönlich bisher vorüber gegangen. Schade eigentlich. Wobei man diesen in jungen Jahren haben sollte, man ist dann einfach schneller wieder erholt. :))
Prag ist W U N D E R B A R ! ! !
Wir haben dort mal die Weihnachtsfeiertage verbracht, auf einem Bootel, ganz ganz großes Tennis auf 2-Sterne-Basis (für Deutschland. In Prag waren das gebuchte 4+* :)) Aber morgens auf der Moldau das trockene Brot vom Frühstücksbuffet vom Kabinenfenster aus an die Schwäne zu verfüttern- das nimmt Dir niemand! :))
Und im Laufe des Tages gab es auch Bier. Sonst schafft man nicht den Aufstieg zum Hradschin, den wir natürlich persönlich zu Fuß erledigt haben! Da hilft Dir Tee allein nicht weiter... :))
So, nachgekocht... sogar zweimal. Allerdings ist mir beim ersten Mal erst beim Übergießen aufgefallen, dass vom Pernod nur noch ein kläglicher Rest übrig war. Das Essen wurde aber auch ohne Schuss lecker.
AntwortenLöschenBeim zweiten Versuch hatte ich dann endlich wieder Pernod, aber keine Lust mehr auf Hähnchen. Da gab es dann eine schnelle Gemüsepfanne und Couscous dazu. Die Variante war ok, aber es fehlte eindeutig das Hähnchenfett! Also das nächste Mal mit Pernod und mit Hähnchen ;-).
@Milliways:
AntwortenLöschenschon zweimal! In der Kürze der Zeit!Du siehtst mich beeindruckt!
Aller guten Dinge sind drei! Und dann mit allem! :)
Komisch, ich weiß ich habe diese Einträge schon gelesen, aber war wohl SOO sehr im Stress daß ich mir das Kommentieren verkniffen habe. War aber auch viel los...
AntwortenLöschenAnis... ist so eine Sache, ich mag den gar nicht, bis auf Anisplätzchen, und da auch nur wenn der Geschmack dezent ist. Aber alleine deine Resteverwertung sieht so lecker aus, daß ich das womöglich mal mache, nur um alles für den nächsten Tag übrig zu lassen. Schmeckt man denn den Anis sehr heraus?
Nee, George, gar nicht. Ich hatte 3 Sternchen auf die Menge und habe sie nicht explizit herausgeschmeckt. Du weißt ja, wie das mit einer Gesamtkomposition ist. :))
AntwortenLöschenAber wenn Du Anis kaum magst, würde ich mir eher über das Gericht im Ganzen Gedanken machen, als über die drei kleinen Dinger. *gg
ohne von diesem wunderbaren blog zu wissen habe ich ein fast identisches rezept für kaninchenkeulen, aber mit huhn war es genausogut.
AntwortenLöschenvielen dank dafür!!
lg himmelbau