Hier kommt das einzige Original-Rezept für Spundkäs' aus Mainz
Der Spundekäs' im Fernsehen!
Woran das liegen mag, dass man auf die einfachsten Dinge oft nicht von alleine kommt; nein geradezu mit der Nase hinein gestoßen werden muss? Da bin ich zu Gast in einer Talkshow zum Thema Rheinhessen, vor mir steht Spundekäs. Ich werde gefragt, was da so hinein kommt, hinter mir bebt P. (warum, dazu später mehr) und während ich live und in Farbe den Unterschied zwischen Spundekäs und Obatzda erkläre (ich, die Norddeutsche!) rattert in meinem Kopf mein Blog-Rezeptregister an mir vorbei. Kein Spundekäs, nirgends.
Dabei spielt der Spundekäs eine ziemlich große Rolle in meinem Leben. Vielleicht aber ist die Rolle gerade aufgrund ihrer Größe so sehr in meinem Alltag verankert, dass das Ausmaß seiner Bedeutung schon gar nicht mehr klar ist. Was nur im ersten Moment nach Widerspruch in sich selbst klingen mag. Wichtige Dinge verschmelzen oft so sehr mit uns selbst, dass wir ihrer kaum noch gewahr werden. Das ist so mit der Liebe und mit vielen kleinen Dingen. Und nur durch die Liebe ist der Spundekäs in mein Leben gezogen. Meine Liebe zu einem Rheinhessen und zu Rheinhessen haben ihn mit sich gebracht. Jetzt müssen wir ein wenig zurückgehen in der Historie, wie schon in meiner Geschichte von den Überlebensstrategien nehme ich Dich kurz mit in die Vergangenheit einer rheinhessischen Familie, die jetzt auch meine ist.
Ein wenig Geschichte...
Deren Geschichte reicht weit zurück, daher konzentriere ich mich auf einen sehr kleinen Teil gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Bereits seit 1667 gab es in Mainz in der Birnbaumgasse die Gaststätte und Brauhaus Zum Birnbaum, in der besonders in den Jahren 1870 - 1871 sich von revolutionärem Gedankengut beseelte Menschen Männer trafen. 1871, nach Gründung des zweiten deutschen Reiches hatte es sich allerdings erst einmal ausrevolutioniert, auch und selbst in Mainz. Den Männern wurde langweilig (die Frauen hatten seit jeher genug zu tun) und so konzentrierten sie sich auf Fastnachtsbräuche, die Entwicklung von seltsamen Orden und der Pflege ihrer Neurosen. Was Männer so tun eben. Mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Ernsthaftigkeit taten sie dies am Ende sogar durchaus erfolgreich, so dass 1898 im Birnbaum der legendäre Mainzer Carneval Club (MCC) gegründet wurde. 1998, zum 100jährigen Geburtstag dieses grandiosen, die Kölner und Düsseldorfer bis zum Grünstich neidisch werdend lassenden Vereines, pflanzten seine Mitglieder einen Birnbaum in der Höhe der ehemaligen Gasthausgemarkung und versahen seinen Fuß mit einer güldenen Gedenktafel zu Ehrung des Birnbaumes und der Gründung des Vereines.
Von der Legende
Der legendärste Wirt des Birnbaums war von 1901 - 1916 Michael Geier, ein direkter Vorfahr meines P. Ihm folgte Sohn Franz Geier, dem im Krieg das Braurecht leider entzogen wurde. Erst 1930 wurde dort wieder gebraut und ausgeschenkt, bis ein Bombeneinschlag im August 1942 das als eines der schönsten Gebäude in Mainz geltende Haus völlig zerstörte. Michael Geier hatte 2 Frauen (seine zweite Frau war die jüngere Schwester seiner ersten) und mit diesen 36 Kinder, 18 mit jeder von ihnen. Diese Kinderschar machte Michael Geier bis weit über die Grenzen Mainz' hinaus bekannt, sogar seine Stammgäste gestalteten Anzeigen in der Presse mit Texten wie:Unsere Herzliche Gratulation zum fünfundzwanzigsten Sprößling
unserem lieben Wirthe
Michael Geier.
Der permanente Ausschuß des Birnbaumclubs
Das Viertelhunnert is jetzt voll
Der Klapperstorch war wertlich fleißig;
Lieb Michelche, bleib Du es aach,
So bringst Du´s schließlich noch uff Dreißig.
Wie bekannt, hat Michael Geier dies mehr als erfüllt. Irgendwann vertrieb er zu Werbezwecken gar eine Postkarte, auf der ein Storch mit der Peitsche vom Hof gejagt wurde. Geholfen hat es nichts. Und die Legende sagt - und hiermit schließt sich der Kreis, dass die erste Frau Michael Geiers in der Wirtschaft Zum Birnbaum den Spundekäs erfunden hat. Wahrscheinlich ist dies wirklich nicht so ganz richtig, der Spundekäs sproß zu dieser Zeit in vielen Orten Rheinhessens hinter den Theken der Wein- und Wirtshäuser hervor, aber wenigstens die Beteiligung an seiner Entstehung für sich zu reklamieren können ist ohne Frage etwas ganz Besonderes. Das ist der Grund, warum P. im Studio gebebt hat; hätte ich dieses im Fernsehen erzählt - ein Sturm der Entrüstung aller Spundekäserfinder-Nachkommen hätte sich noch am Abend der Ausstrahlung erhoben. Hier in meinem kleinen Blog aber kann ich ganz gelassen davon berichten, ohne Anspruch auf historische Nachweisbarkeit und Genauigkeit und doch postulieren, dass ich und meine rheinhessische Familie natürlich voll und ganz von der Richtigkeit dieser Legende überzeugt sind!
Rezepte für Spundekäs
dessen Name übrigens von der typischen Art und Weise seines Anrichtens in Form eines Spundes, der Öffnung im Weinfass, neudeutsch "Nocke", herrührt, gibt es wie Sand an der Ingelheimer Aue. Ich mag auch diesen wie fast alles andere in meinem Leben gerne so pur wie möglich. In vielen Rezepten wird die Verwendung von Butter angegeben, dann steht der Spundekäs besser und lässt sich schöner in seiner namensgebenden Form anrichten. Allerdings macht die Butter ihn noch mächtiger, als er es schon ohne sie ist. Denn ein Leichtgewicht ist der nicht, der Spundekäs. Aber das sind auch nicht die Menschen in Rheinhessen . Sie stehen da, mitten in ihren Leben, fest und mutig. Fleißig und durstig. Und brauchen nach getaner Arbeit etwas Nahrhaftes, schnell und lecker zugleich.Für uns neumodische Menschen, die gar nicht so viel arbeiten können wie wir zu essen pflegen, ist der Spundekäs ideales Partyessen, so erst wieder am letzten Wochenende von mir zubereitet auf besonderen Wunsch von Nata. Begleitet von einer Brezel-Blindverkostung, an deren Ende sich klar die Salzbrezeln von Roland als Sieger aller Klassen herauskristallisierten (Danke an Karl-Josef Fuchs vom Spielweg für den Tip!), gefolgt von Mayka und Houber. Wobei Houber-Brezeln als einzige das EU-Bio-Siegel auf der Tüte tragen. Selbstverständlich kann ich hier nicht das total geheime Geheimrezept meiner Familie bekannt geben; aber ich verrate Dir, dass ich den Spundekäs stets aus Quark 40 % und Frischkäse im Verhältnis 1 : 2 zubereite. Ich verzichte auf die Zugabe von Butter, verwende etwas Salz, was unter Mainzern aufgrund der Beilage von Salzbrezeln verpönt ist, verwende süßen und rosenscharfen Paprika und mische keine Zwiebeln oder Knoblauch darunter, Gottbewahre! Zwiebeln dazu zureichen ist opportun, so diese in feinst gehobelten Ringen daherkommen. Ich würze mit Melange Blanc von Ingo Holland, wenn diese nicht zur Verfügung steht, würde ich frisch gemahlenen weißen Sarawak-Pfeffer verwenden und etwas Macisblüte. Ich kann mir das erlauben, als Norddeutsche habe ich ja fast Narrenfreiheit; ob Du dich solche Abseitigkeiten traust, bleibt Deinem eigenen Selbstbewusstsein überlassen.
Wichtig ist, dass er Zeit hat, durchzuziehen, am besten 24 Stunden. Ich hatte diese Zeit am Wochenende leider nicht, so dass meine Gäste betrüblicherweise nicht in den vollen Genuß gekommen sind. Auch mag ich es nicht, wenn er kühlschrankkalt serviert wird. Käse muss Temperatur haben, egal ob hart oder weich. Ein Fehler, der in vielen Gaststätten gemacht wird. Und weil wir hier ja so sehr entre nous sind, kann ich auch verraten, dass ich trotz aller Liebe und rheinhessischer Integrität den Salzbrezeln gleich welcher Sorte gegenüber keine besondere Zuneigung abringen kann. Ich mag Spundekäs auch mit einem kräftigen Wingertsknorze oder im Notfall (hihi) auch als dahinschmelzende Nocke [sic!] auf einem Steak.
Genießt euren Tag!
Anstelle der danebenliegenden Salzbrezeln steckt man ja auch die knusprigen kleinen Salzstänglein in den Körper.
AntwortenLöschenVorher formt man den Käse noch in die Form eines Igels und herbeigezaubert ist das Lebensgefühl der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhundets ;-)
Vorausgesetzt man ist so alt, dass man es kennt!
Mit leckerem Gruß
Peter
Über Spundekäs ist bisher nicht viel bekannt. Die meisten Blogs trauen sich einfach nicht an diese hochbrisante Melange heran. Umso besser, dass ein derart heikles Thema hier einmal aufgegriffen wird!
AntwortenLöschenMan sagt ja, dass viele Unwissende da einfach reintun, was sie wollen. Die wenigsten dieser unbedarften Frischkäsepanscher machen sich Gedanken darüber, wieviele Nachfahren dieser Michael Geier inzwischen haben dürfte.
Man kann da wirklich nur an die Vernunft apellieren, dass die Leute sich gewissenhaft an die Spielregeln für ordnungsgemäßen Spundekäs halten. - Schmeckt ja auch wirklich besser so!
Auf meine Familie gehen höchstens verschiedene Torten- und Trüffelrezepte zurück - da fänd ich Spundekäs deutlich cooler. Deshalb denke ich, es wird Zeit selbst etwas zu kreiren, das die Generationen überdauern wird...
AntwortenLöschenIch hab ein Spundekäs-Rezept mit Sardellen gesehen - kann ja eigentlich auch nicht verkehrt sein, so ne kleine Umami-Bombe im Käse zu zünden und schmeckt sicher besser, als das, was auf den Mosel-Weinfesten so als Spundekäs verkauft wird (jaja, die machen das da...)
Liebe Astrid Paul, Sie sind mir die tollste Norddeutsche, die je einen Spundekäs zubereitet hat! Bei mir dürften Sie sofort einheiraten!
AntwortenLöschen@Peter:
AntwortenLöschenNie davon gehört!
:p
@Nata:
ich weiß, dass diese Thema ein sehr sehr heißes Eisen ist, noch heißer als die Suche nach der Wiener Garnitur. Aber es war natürlich dringend notwendig, dass sich jemand des Themas annimmt, allein um die Verschandelungen des Rezeptes ein wenig einzudämmen. Über die Anzahl der Nachkommen möchte ich gar nicht spekulieren, wahrscheinlich kannst Du in Mainz keine 3 Schritte machen, ohne einem Geier zu begegnen. Mir aber reicht der eine zuhause völlig!
@Alex:
Ich mit meiner norddeutschen Narrenfreiheit könnte das natürlich mal probieren...
@Anonym:
Äh... Danke! :)
Gutes Zeugs! Definitiv! auf die Idee, darüber zu schreiben, wär ich nie gekommen. Komisch!
AntwortenLöschenNachdem ich 10 Jahre mit Obatzda Vorlieb nehmen musste - und das in äußerst unterschiedlichen Qualitäten (ein gutes Rezept habe ich selber mal verbloggt), bin ich jetzt wieder ganz verliebt in den Spundekäs', den es ja glücklicherweise auch im Rheingau gibt. Er ist mir allerdings manchmal wirklich zu mächtig. Eine gute Variante gibt's im Weinhaus Kögler in Wiesbaden. Da reicht man warme Winzerknorzen dazu, die mir persönlich deutlich lieber sind als die ollen Brezn. Noch beeindruckter bin ich aber von der Birnbaumschen Kinderschar. 36? Und die sind alle verbrieft? Kein Wunder, dass die Frauen nichts mit Politik oder Karneval am Hut hatten, wenn sie permanent schwanger waren. Als Fassenachter hätt' er wenigstens nach 33 Schluss machen können :) Hach, ein schöner Blogpost. Wie immer, liebe Astrid!
AntwortenLöschenJa liebe Julia, die sind alle verbrieft, es waren auch ein paar Totgeburten dabei, bzw. frühe Kindstode, aber jede der beiden Frauen hat 18 Kinder von ihm geboren. Und nebenbei noch die Wirtschaft mit geführt. Ein hartes Leben, das die Geier-Frauen hatten. Mir geht es da heute sehr viel besser! :)
AntwortenLöschenIch fände es schön, wenn es das Haus noch geben würde, auf alten Zeichnungen sieht es wunderschön aus.
Lieber Claus,
AntwortenLöschendafür braucht man vielleicht so eine verrückte Familie im Hintergrund. Ansonsten hätte ich wohl auch nicht über eine Quark-Frischkäse-Creme geschrieben. :)