So schnell hast Du mich noch keinen Koffer packen sehen, als vom Fremdenverkehrsamt Poznan (Posen) in Polen, die Einladung zum 7. Festival des guten Geschmacks kam. Nach zwei Urlauben in Bulgarien, einer Woche Prag und nicht zuletzt der legendären Reise mit Arthur in die Ukraine, bin ich gefangen von osteuropäischer Kultur, Gastfreundschaft und Kulinarik. Das Festival beginnt donnerstags und endet sonntags, die für verfressene kulinarisch interessierte Menschen wie mich relevanten Tage sind Donnerstag und Freitag. An diesen finden besonders viele Kochwettbewerbe und Verkostungen statt, das Festival ist noch nicht so überfüllt und alle beteiligten Händler, Produzenten, Festivalorganisatoren etc. noch auf dem Höhepunkt ihrer Kräfte. Glaube mir, nach einigen Tagen Nalewka round the clock stößt dort jeder an seine physischen Grenzen! ;)
Die Anreise mit dem Flugzeug nach Posen, das zwar einen International Airport sein eigen nennt, ist umständlich. Es gibt keine Direktflüge ab Frankfurt, also heißt es ab nach Warschau und von dort noch mindesten 3 Stunden Zugfahrt. Da setze ich mich doch lieber gleich in die Polster der DB und fahre mit dem Zug nach Polen. Von Rheinhessen aus sind das ca. 10 Stunden Fahrt; die Lachnummer des zum Reisezeitpunkt tobenden Bahnhofschaos in Mainz noch gar nicht mitgerechnet. So beginnt die Fahrt für mich in Wiesbaden, ich steige um in Frankfurt und Berlin und fahre ohne(!) nennenswerte Verspätung gen Osten...
Praktischerweise bereits am Tag vor Festivalbeginn, damit ich auch nicht einen einzigen Tag Nalewka verpasse! Die Reise war unaufregend, einzige unterhaltsame Abwechslung boten die Mitreisenden im Abteil des ab Berlin startenden polnischen Zuges. 5 Personen für 6 Sitzplätze und außer mir nahm jede_r die ihm zugeordnete Platzreservierung sehr sehr sehr ernst. Fast wie im Kino, wo sich immer wieder 20 Menschen auf die ihnen genau zustehenden Sitzplätze in einem 400-Personen-Saal niederlassen, ungeachtet, ob sie von dort aus gut sehen können oder nicht. So gab es zu Beginn der Fahrt ca. 10 Minuten eine polnische Variante der "Reise nach Jerusalem", während der ich wohl auf jedem Platz im Abteil mindestens einmal saß. Wir waren allerdings noch nicht in Frankfurt/Oder, da musste das mitreisende Kind aufstehen und im Gang aus dem Fenster sehen. Das führte dazu, dass seine Mutter auf den Kinderplatz nachrückte und eine junge Frau sofort wechselte, um besser aus dem Fenster des Abteiles sehen zu können, der nächste fuhr nicht so gerne rückwärts und tauschte seinen eigentlichen Platz umgehend mit dem der jungen Frau. So saß am Ende dann doch niemand mehr dort, wo er/sie hätte sitzen sollen. Ich gluckste still in mich hinein und wusste jetzt schon - die Menschen in Polen sind mir sehr sympathisch!
Im Laufe des Nachmittages rollte ich also ein (ich rollte Tage später auch hinaus, ganz ohne Zug, das lag nur am Essen) und Chris Pedersen, (verstorben 2015) der im Auftrag der Festivalleitung die Pressevertreter vor Ort betreut, erwartete mich bereits am Bahnsteig. Nach der Begrüßung gingen wir zu Fuß in das nicht weit entfernte Sheraton, in dem für mich reserviert war; ich checkte ein, atmete kurz durch und freute mich auf das für den Abend geplante inoffizielle Essen im Restaurant Toga, das als eines der besten Restaurants Polens gilt. Chris und Piotr, der Inhaber des Toga, sind seit vielen Jahren gute Freunde und haben schon so manche Veranstaltung gemeinsam bestritten. Eröffnet wurde das Restaurant bereits vor einigen Jahren in der Nähe des Posener Gerichtsgebäudes, das Wort "Toga" heißt übersetzt "Robe". Mittlerweile befindet sich das Toga im Keller eines sehr alten, sehr herrschaftlichen Hauses.
Unten angekommen wurde ich brachial aus der Zeit geworfen. Es gibt gewürgte Tüllschlangen auf den Tischen, eine Dekoration, die sich aus griechischen, polnischen und where are you fuckin' come from?-Elementen zusammensetzt und weiche weiche Polstersessel auf Rollen(!) an den Tischen. Schon sehr lange nicht mehr habe ich in einem Restaurant gleichzeitig so - äh - ungewöhnlich und so gemütlich gesessen. Warum gibt es nicht mehr Rollen unter den Stühlen und Sesseln in der Republik? Ich prangere das an! Aber das Verrückteste war eigentlich - ich habe mich auf Anhieb wohl gefühlt! Denn inmitten dieser Besonderheiten stand dort Piotr Michalski, der Inhaber, mit einem Lachen und einem Herzen, beides so groß, viel größer noch als sein beeindruckender Bauchumfang! Er und seine Frau Ewa, die Köchin des Hauses, hatten ihr Restaurant an diesem Tag eigenlich geschlossen, sie lagen noch in den Nachwehen des erst einen Tag zuvor beendeten Transatlanyk Festiwal, DEM musikalischen Hochereignis der Saison! und die Vorräte waren so erschöpft wie die Menschen. Trotzdem hat es Ewa und Piotr nicht davon abgehalten, Chris und mich in einem sehr exklusiven Rahmen - nämlich als die einzigen Gäste - zu verwöhnen. Und so warf ich erst gar keinen Blick in die Karte, sondern bat um das, was da und gut sei, und dazu bitte erst einmal ein Bier. Zwei. Ach, drei!
"Eine weit über die Region hinaus bekannte Spezialität..." so begann Piotre seinen Satz... "ist unser Tatar..." ich jubelte innerlich und wollte gerade sagen "nehm' ich" ...da fuhr er fort "... vom Pferd". Och. Ich bin da ja komisch, esse fast alles, was nicht bei Drei auf dem Baum ist, aber Pferd geht nicht. Wir hatten früher Pferde zuhause; hätten wir als Kinder ein paar entzückende Kälbchen als Spielkameraden gehabt, ich würde heute kein Rind essen, da bin ich mir sicher. Vielleicht ist mir aber auch das kulinarische Erlebnis meines jungen *hust* Lebens entgangen. Eine der berühmtesten Vegetarierinnen der Welt, Yoko Ono, war 2 Tage vor mir zu Besuch im Toga. Wir haben uns also sozusagen um Pferdehaaresbreite verpasst. Sie wurde auf dem Transatlnyk Festiwal ausgezeichnet und aß wo? Na sicher, bei Piotr und Ewa und war sozusagen der letzte Gast vor mir. Und was aß sie, ganz unaufgeregt und unprätentiös? Die Spezialität des Hauses, Pferdetatar! Das nenne ich mal frei von jeder Dogmatik! :)
Piotr fragte, ob ich Rindermark essen würde. Gegrillt. I love it! Und ich rätsel oft, warum Restaurants in Deutschland es so selten anbieten. Also bestellte ich Knochen, die im Toga nicht quer, sondern längs gesägt werden, schloß die Augen und löffelte köstliches Mark.
"Eine weit über die Region hinaus bekannte Spezialität..." so begann Piotre seinen Satz... "ist unser Tatar..." ich jubelte innerlich und wollte gerade sagen "nehm' ich" ...da fuhr er fort "... vom Pferd". Och. Ich bin da ja komisch, esse fast alles, was nicht bei Drei auf dem Baum ist, aber Pferd geht nicht. Wir hatten früher Pferde zuhause; hätten wir als Kinder ein paar entzückende Kälbchen als Spielkameraden gehabt, ich würde heute kein Rind essen, da bin ich mir sicher. Vielleicht ist mir aber auch das kulinarische Erlebnis meines jungen *hust* Lebens entgangen. Eine der berühmtesten Vegetarierinnen der Welt, Yoko Ono, war 2 Tage vor mir zu Besuch im Toga. Wir haben uns also sozusagen um Pferdehaaresbreite verpasst. Sie wurde auf dem Transatlnyk Festiwal ausgezeichnet und aß wo? Na sicher, bei Piotr und Ewa und war sozusagen der letzte Gast vor mir. Und was aß sie, ganz unaufgeregt und unprätentiös? Die Spezialität des Hauses, Pferdetatar! Das nenne ich mal frei von jeder Dogmatik! :)
Piotr fragte, ob ich Rindermark essen würde. Gegrillt. I love it! Und ich rätsel oft, warum Restaurants in Deutschland es so selten anbieten. Also bestellte ich Knochen, die im Toga nicht quer, sondern längs gesägt werden, schloß die Augen und löffelte köstliches Mark.
Anschließend servierte Piotr eine weitere Spezialität seiner Frau - Czernina! Eine Entensuppe mit Blut, im Norden Deutschlands auch als "Schwarz-Sauer" bekannt. Ursprünglich mit Schweineblut und Schlachtabschnitten von Schweinen zu einer dicken, zähen Suppe gekocht, wird sie in Ostpreußen und Pommern auch heute noch mit Geflügel (Gans oder Ente) zubereitet. Ihr Name stammt vom Essig, der dem Schweineblut zur Gerinnung beigegeben wird. Außer den Enteninnereien und dem Blut wird der Suppe Essig und etwas Zucker beigegeben, sowie getrocknete Pflaumen, Rosinen und Birnen. Für eine alte Beschreibung dieses Gerichtes empfehle ich folgenden Link, welcher Dich zu einem Google-Book führt. Dort wird in alter Sprache und Schreibweise unter dem Titel Versuch einer allgemeinen und besondern nahrungsmittelkunde die frühe Herstellung der auch als Gänsepfeffer bezeichneten Speise beschrieben.
Diese Suppe hat geschmeckt wie Weihnachten! Köstlich und pikant abgeschmeckt mit etwas Beifuß, Zimt(?), den getrockneten Pflaumen - wenn ich von draußen den Weihnachtsmann hätte läuten hören, ich hätte mich nicht gewundert. Nicht nur aus der Zeit war ich gefallen sondern gänzlich aus dem Sommer, aus dem rheinhessischen Lebensgefühl. Ich wollte Wodka trinken, auf den Tischen tanzen und mich Agnieszka nennen.
Ich war satt und überglücklich, und aß doch noch den Fisch. Einen meiner liebsten - Black Cod. So butterzart gegart, ganz köstlich nur mit etwas Fenchel und Tomate. Was ist Ewa für eine großartige Köchin! Die Anrichtweisen im Toga sind weit weg von denen guter Restaurants in Deutschland. Sie sind pur und einfach, wie die Speisen. Dafür lenkt kein Schäumchen, keine Ziselierung ab vom Geschmack. Und das ist so gesehen ziemlich großartig!
Diese Suppe hat geschmeckt wie Weihnachten! Köstlich und pikant abgeschmeckt mit etwas Beifuß, Zimt(?), den getrockneten Pflaumen - wenn ich von draußen den Weihnachtsmann hätte läuten hören, ich hätte mich nicht gewundert. Nicht nur aus der Zeit war ich gefallen sondern gänzlich aus dem Sommer, aus dem rheinhessischen Lebensgefühl. Ich wollte Wodka trinken, auf den Tischen tanzen und mich Agnieszka nennen.
Ein Dessert? Ich stand kurz vor dem Platzen. Und ein Absacker in einer Posener Mikrobrauerei samt Bummel über den Festivalplatz, wo derzeit die Buden aufgebaut und letzte Handstriche gemacht wurden, hatte Chris auch noch für mich geplant. Und irgendwann wollten wir auch Ewa und Piotr endlich etwas Ruhe gönnen, zumal für den nächsten Tag eine hochoffizielle Nalewka-Verkostung in 7 Gängen samt kleinen dazu passenden Gerichten geplant war. Wir würden uns also wiedersehen...
Der Tag klang aus bei Honigbier auf dem Festivalplatz, dem alten wunderschönen Marktplatz in Poznan, ich bestaunte das Leben und Treiben um uns herum. Die jungen Frauen flanierten, eine schöner als die andere, perfekt gekleidet und herausgeputzt, am Arm ihrer Freunde und Männer an uns vorüber, von überall erreichte uns das Timbre fröhlichen Lachens. Es war warm und die Sonne ging unter in Poznan und ich war so satt und glücklich wie schon lange nicht mehr!
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