Bereits seit der ersten jteb-Woche ist meine heutige Gastbloggerin, Heide Dombrowski, mit dabei. Ich freue mich sehr, dass sie heute ein veganes Kochbuch im Gepäck hat, da ich mich in der letzten Zeit sehr mit diesem Thema auseinandersetze. Vielen Dank, liebe Heide! Schön, dass Du wieder dabei bist!
Text von Heide Dombrowski
Vor knapp 3 Monaten überraschte mich mein Mann mit der Ansage, dass er ab jetzt vegetarisch kochen und essen wird – seiner Gesundheit zuliebe. Für mich war es gelinde gesagt ein Schock, ich bin Flexitarier, der bei Bedarf auch mal der sprichwörtlichen Kuh in den Hintern beißt und rohen Bio-Lachs ganz sicher nicht des Tellers verweist, auch nicht vom Frühstücksteller. Da bei uns mein Mann kocht und ich aus der Not keine Tugend machen wollte (wie die Sache mit dem Kochen ler nen ausgehen kann, haben wir ja schon an anderer Stelle von Frau Neudecker lesen dürfen), habe ich mit leicht schiefem Blick die Idee für gut befunden, allerdings die Bedingung gestellt, dass er dann auch auf Milchprodukte verzichten muss – wenn, dann leiden bitte beide … .
D.h. intensive Beschäftigung mit veganer Küche stand an, man hatte ja diverse Horrorstories ge hört, wie schnell man gesundheitlich am Krückstock geht, wenn es nicht regelmäßig gute Butter, ein ordentliches Steak und viel gesunde Milch gibt. Die Sache mit der Milch hatte ich vorher schon nicht geglaubt: Ich bin schließlich neben vielen anderen Menschen auf diesem Planeten der leben de Beweis, dass artfremde Milch nicht überlebenswichtig ist – Kuhmilch habe ich schon als Baby als ungenießbar klassifiziert und habe seit 45 Jahren nicht einen Knochenbruch zu verzeichnen, trotz Schulhofprügeleien, Fahrradstürzen und merkwürdigen Verrenkungen beim Salsa. In zwischen weiß ich, dass man sich mit etwas gesundem Menschenverstand und vernünftiger Zu sammenstellung der Gerichte auch ohne Fleisch und Fisch gesund ernähren kann, wenn man will.
Im Laufe der Recherchen habe ich mich dann also mit den aktuell „modernen“ Autoren zur vega nen Küche beschäftigt, und da Herr Hildmann mir aus hier nicht weiter zu erläuternden Gründen nicht sonderlich sympathisch ist, habe ich das Buch von Brendan Brazier gekauft.
Die ersten 5 Kapitel des Buches nutzt Brazier, um Hintergrundwissen zu vermitteln. Diesen Teil sollte man sich unbedingt durchlesen, wenn man seine vorherigen Bücher zur „Thrive-Diät“ nicht kennt und auch sonst keine theoretische Abhandlungen zur veganen Ernährung gelesen hat, auch wenn man ei gentlich nur auf die Rezepte aus ist. Denn auf diesen 155 Seiten kann man viel über Ernährungsstress, Nährstoffdichte, Zusammenhänge zwischen Lebensmitteln, ihrer Produktion und den Auswirkungen auf unsere Umwelt, Ressourcenmanagement und Nachhaltigkeit lernen. Weiterführende Informationen, wie Linktipps, Literaturhinweise etc. gibt es dann im Anhang für alle, die sich intensiver mit der Materie be schäftigen möchten. Für Weltreisende liefert er auch noch ein paar Restaurantempfehlungen.
Ab Seite 164 geht es dann mit den Rezepten los – Brazier hat sich dafür Unterstützung von 5 Spitzen köchen geholt, ca. die Hälfte der Rezepte stammt von Julie Morris (www.juliemorris.net).
Sortiert ist der Rezeptteil in die üblichen Kochbuchkategorien (Getränke, Frühstück, Salate, Suppen, Hauptgerichte …). Man findet sich schnell zurecht. Jedes Rezept ist wie folgt aufgeteilt:
- Foto
- Titel mit verantwortlichem Koch, Kennzeichnung, ob es Rohkost ist oder nicht.
- Zubereitungszeit und Anzahl der Portionen und wichtige Hinweise, z.B. ob etwas über Nacht eingeweicht werden muss
- Zutatenliste
- Zubereitung
Wenn „Superfoods“ vorgesehen sind, sind sie oft optional, oder es gibt – wie auch bei
einigen anderen Zutaten – Hinweisen, wodurch sie ggf. zu ersetzen sind. Zutaten wie Chiasamen, Hanföl und diverse Kerne, Hülsenfrüchte und Saaten sollte man aber auf jeden Fall im Vorratsschrank haben, wenn man anfängt vegan zu kochen.
Inzwischen haben wir diverse Hauptgerichte, Salate und einiges andere ausprobiert. Wer gerade frisch umsteigt von „guter deutscher Hausmannskost“ auf vegane Küche, sollte die angegebene Anzahl von Portionen etwas kritisch betrachten. Die passen dann einfach nicht, weil der Körper noch daran ge wöhnt ist relativ große Mengen Nahrung zu sich zu nehmen, um die benötigten Nährstoffe zu bekom men – ein Gericht für 6 Personen reicht anfangs höchstens für 2. Nach einigen Wochen gewöhnt man sich aber an deutlich kleinere Portionen, dann passen die Angaben in etwa.
Es ist überhaupt sehr hilfreich sich anfangs die ausgeguckten Rezepte am Tag vor dem Kochen (oder auch eine Woche vorher) durchzulesen, um zu prüfen, ob die benötigten Zutaten vorhanden oder zu mindest zügig besorgbar sind. In 99% aller Fälle ist das zumindest bei uns der Fall und ich denke in je dem anderen gut sortierten Haushalt ebenfalls, sofern gern, oft und frisch gekocht wird. Abgesehen von einigen „Superfoods“ haben wir eigentlich alles im Haus, oder wissen, wie wir das ein oder andere ver nünftig ersetzen können.
Was gefällt mir an dem Buch?
Es wird auf Tofu, Weizen und vor allem auf Ersatzprodukte wie veganer Käse oder vegane Würstchen und ähnlichem Unsinn verzichtet. Die vegane Küche ist in meinen Augen so abwechslungsreich, dass man keine „als-ob-Produkte“ braucht. Und wenn der Körper mal nach Kalbsbäckchen in Rotwein-Schokosauce verlangt, sollte man sie sich mit einem zufriedenen Grinsen gönnen und kein Seitan-Schnitzel frustriert von links nach rechts kauen … . Ent-sprechend gibt es auch keine Gerichte wie „vegane Königsberger Klopse“. Merkwürdigkeiten wie Quorn verbieten sich zum Glück von selbst, da nicht vegan.
Die Rezepte sind verständlich und bei Bedarf auch für Kochlegastheniker wie mich umsetzbar. Für Kochprofis wie meinen Mann sind sie gut zu kombinieren und einfach zu variieren.
Bei nicht einfach zu organisierenden Zutaten gibt es Hinweise auf Alternativen.
Die Zeitangaben kommen in etwa hin, ein bisschen Küchenerfahrung sollte man aber haben und nicht erst bei Kochbeginn anfangen die Zutaten aus dem HWR und aus dem Supermarkt zu organisieren.
Es gibt oft hilfreiche Tipps und Variationsvorschläge.
Es gibt ein Leseband! Leider nur eins (ich bevorzuge bei Kochbüchern 3-5 verschiedenfarbige), aber immerhin EIN LESEBAND! Der Autor ist aus (gesundheitlicher) Überzeugung und seit vielen Jahren Veganer, er hat sehr viel Hintergrundwissen und gibt dieses auf sympathische Art und Weise weiter (vielleicht finde ich ihn auch nur sympathisch, weil er ebenso wie ich ein Fan von Grünkohlchips ist). Man be kommt beim Lesen nicht das Gefühl, dass einem eine neue Religion angedreht werden soll, oder dass da jemand auf einen neuen Trend aufgesprungen ist um Kohle zu scheffeln. Der Mann lebt aus Überzeugung vegan, zieht seinen Nutzen daraus und sieht zu, dass er auch nach seiner Karriere als Profisportler eine Einkommensquelle hat. Außerdem muss er nicht ständig das eigene Ego streicheln, sondern hat sich qualifizierte Unterstützung von Kochprofis geholt, und grinst den Leser nicht auf jeder 3. Seite an, schon gar nicht mit einem Brokkoli po sierend.
Was gefällt mir nicht?
Man sollte die Rezepte sorgfältig lesen und auf Konsistenz prüfen, ansonsten macht man mal eben für einen Salat für 2 Personen 1 Liter Dressing … . Manchmal wird etwas auf Vorrat her gestellt, da sollte man sich halt überlegen, ob man genau dieses Dressing in den nächsten Ta gen zu einem anderen Salat haben möchte, oder die Mengen anpassen.
Es gibt einen Stichwort- und einen Rezept-Index. Leider verweist der Stichwort-Index nicht auch auf die Rezepte, sondern nur auf den Theorieteil. Das ist sehr schade. Es kommt oft vor, dass wir z.B. Pastinaken und/ oder rote Beete im Kühlschrank finden, dann möchte ich gern schnell finden, was wir damit machen können. Die Vorstellung wichtiger Nahrungsmittel ist manchmal etwas zu knapp – bei den Algen fehlt mir z.B. der Hinweis, dass sie stark jodhaltig sind, was nicht für alle Menschen gesund ist. Und es fehlen Querverweise zu den Rezepten. Zwar werden manche Gerichte so ähnlich wie bekannte nicht-vegane Produkte genannt, aber das kann auch an der Übersetzung liegen. Z.B. wird eine sehr leckere Cashewcreme „Cashew-Sauerrahm“ genannt, aber das sind zum Glück Ausnahmen.
Für vegan-Anfänger wären Wochen-Menue-Vorschläge hilfreich, um eine Idee zu bekommen welche Nahrungsmittel vom Durchschnittsbürger in welchen Mengen in etwa gegessen werden sollten um eine ausreichende Versorgung zu garantieren. Vielleicht steht es ja schon auf der To-Do-Liste für die nächste Ausgabe … .
Fazit:
Seit der Umstellung – in erster Linie auf Basis dieses Buches – habe ich gut 10% meines Kampf gewichtes verloren und fühle mich körperlich und mental fitter als jemals in den letzten Jahren. Ich finde es faszinierend, wie viele neue Geschmackseindrücke ich in den letzten Wochen bekommen habe und sicher auch künftig noch bekomme, obwohl ich behaupten möchte, dass wir in den letzten 20 Jahren wirklich viele neue Rezepte probiert und ganz sicher nicht jeden Tag 08/15 gekocht haben. Milch, Milchprodukte und Eier fehlen mir überhaupt nicht, auf Fisch und Fleisch will ich aber noch nicht ganz verzichten, dafür schmeckt es mir einfach zwischendurch mal zu gut.
Kurz: Mein Mann darf gern weiter vegan kochen :)
Vegan in Topform - Das Kochbuch: 200 pflanzliche Rezepte für optimale Leistung und Ge sundheit von Brendan Brazier
Gebundene Ausgabe: 440 Seiten
Verlag: Unimedica ein Imprint der Narayana Verlag; Auflage: 1 (März 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3944125177
ISBN-13: 978-3944125176
Größe und/oder Gewicht: 24,4 x 17,8 x 2,8 cm
Preis: 29,00 Euro
Tip:
Die zweite (sinnvolle) Anschaffung war kurz danach „Nährstoffe in Lebensmitteln: Die große Energie- und Nährwerttabelle“ von Beate Heseker und Prof. Helmut Heseker