Alles lecker, oder was? Von Foodporn und Gaumensex

Foodporn und Gaumensex. Oder auch: Die Verrohung unserer (kulinarischen) Sprache

Roher Schweinebauch vom rheinhessischen Landschwein | Arthurs Tochter Kocht von Astrid Paul

Einfach nur "lecker" ist langweilig, ein bisschen Porn muss da schon sein!

"Wow, schaut ziemlich nach Gaumensex aus", kommentierte neulich jemand eines meiner Essensbilder bei Facebook. Wow! Parallel zu solch sprachlichem Dünnschiss gibt es Diskussionen in Sozialen Netzwerken, die sich nur darum drehen, ob man einen Wein oder ein Essen lecker finden darf. Leitgedanke der Diskussionsführer ist häufig: Darf man nicht. Auf.Gar.Keinen.Fall! Das machen nur Unwissende, kulinarische Vollidioten. Diese Leute finden lecker doof, echt jetzt. Und während sich voller Hochmut um diese Nichtigkeiten gestritten wird, ploppen um mich herum in Texten und Bildunterschriften nur noch Foodporn, Gaumensex und Gaumenorgasmus auf, um ein Wort wie Zungentango gerate ich vor Freude schon fast aus dem Häuschen.

Wann es angefangen hat, weiß ich nicht, aber ich fühle mich übersext 

und zwar bereits seit Jahrzehnten (also den drei, die ich alt bin, hehe). Habe ich mich an die Allgegenwärtigkeit von nackten Brüsten und aufmerksamkeitsheischenden Nacktposen auf Zeitschriftencovern (kaufe ich einfach nicht mehr), Werbeplakaten (blende ich im Vorbeifahren aus), Spielfilmen mit Sexszenen zum voyeuristischen Selbstzweck (schaue ich nicht mehr) durch Abstumpfung und Resignation vor der werbewirtschaftlichen Ausbeutung des menschlichen Körpers fast gewöhnt, verstört mich der Einzug von -porn in die kulinarische Sprache noch immer und etwas Angst macht er mir auch. Angst davor, dass die Spitze des foodporn-Berges noch nicht erreicht ist, wofür alle Erfahrung spricht.


Da der Mensch abstumpft von Bildern und Begriffen, die zuerst aufzuschrecken vermögen, muss die Reizschwelle mindestens um so viel höher liegen wie Hemmungen sinken. 

Wir sprechen nur noch von ficken, vögeln und gangbangen, all das kommt uns so selbstverständlich über die Lippen, wen vermag es zu wundern, dass "lecker" anachronistisch wirkt. Unser Alltag, unsere Sprache, wird immer mehr von Pornosymbolen erobert; es kann, aber es muss kein Zufall sein, dass Instagram überquillt von Fotos, auf denen Menschen ihre Füße mit ins Bild von ihrem Essen stellen. Wer weiß, was noch kommt...



  Genießt euren Tag!




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Arthurs Tochter

Astrid Paul, die Autorin von Arthurs Tochter kocht., ist besessen vom Essen. Sie wacht manchmal nachts auf, weil ihr im Traum Essensdüfte durch die Nase ziehen. Dann steht sie auf und fängt an zu kochen. Oder zu schreiben. Vielleicht kocht sie auch nur, um darüber schreiben zu können, wer weiß das schon...

32 Kommentare :

  1. Danke!
    Ann-Kathrin

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  2. Endlich sagt's mal jemand. Dem ist nichts hinzuzufügen!

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  3. Sehr, sehr gut. Du bringst das, was mir schon länger im Kopf umherwandert, ideal auf den Punkt. Ich finde es ganz furchtbar, dass diese Wörter in der kulinarischen Sprache schon so allgegenwärtig sind. Das muss nicht sein - nein, eigentlich hat das da einfach nichts verloren. Und genau, was soll an "lecker" denn so verkehrt sein? Ein kleines Kind, dass sich selig Löffel um Löffel in den Mund schiebt, wird wohl kaum "geil" oder "gaumensex pur" sagen. Da wird zwischendruch allemal ein glückliches "legga" rauskommen. Und das sagt doch eigentlich schon alles. :-)
    Danke, Astrid. Und ganz liebe Grüße, Ramona

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  4. Danke Astrid, habe mich köstlich amüsiert :D

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  5. Liebe Astrid,
    wie immer hast Du soooo recht. Mir ist das auch alles zuviel. Wenn mir ein Essen schmeckt, und nur darauf komnt es an, dann ist das für mich lecker oder köstlich. Und wenn andere das für antiquiert halten, dann ist das deren Problem. Ich lasse mir sicher nicht von anderen meine Wortwahl vorschreiben.
    Danke für Deine Worte und einen entspannten Sonntag!
    Lg Kerstin

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  6. Wunderbar - sehe ich auch so. Bin froh zu lesen, daß ich nicht die einzige bin, die den Begriff "foodporn" total unlecker findet!

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  7. Danke, liebe Astrid! Ich bin ja der "lecker" Typ (ganz im Sinne von Ramona) und kenne die ewigen Diskussionen über diesen Begriff. Gerade ist mir wieder klar geworden, wie gern ich in diesem Kontext anachronistisch bin. Und wenn jemand das kulinarisch bildungsfrei nennt ... finde ich das etwas verbiestert, aber mir soll's recht sein. Hab einen schönen Sonntag - hier gibt's einen LECKEREN Apfelkuchen in himmlischer Herbstsonne! Astrid

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  8. Danke Astrid - ich habe ja nun wirklich nichts gegen Sex - und auch nichts gegen gutes Essen und fange allmählich an das eine gegen das eine einzutauschen (halt eine Altersfrage *grins*). Aber das man nun irgendwie alles mit Sex vergleichen muss nervt wirklich. Vielleicht kommt einer auf die Idee und vergleicht demnächst Arbeiten noch mit Sex ... "Als ich Montagmorgen die Bürotür aufgemacht habe ist mir vor Freude fast einer ... "

    Lieber einfach ein leckeres Essen machen, dazu einen süffigen Wein (sagt man überhaupt noch süffig ?) trinken und alles ist gut.

    Gruß
    Hans

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  9. Ich schließe mich Uschi aus Aachen an! Schönen Sonntag! Anne aus Aachen

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  10. Wie recht du hast. Ich habe zu Hause noch ein altes Schatzkästchen mit WUNDERBAR, GESCHMACKVOLL, GROßARTIG und EXCELLENT. Die werde ich mal abstauben und zur Verfügung stellen. Traut man sich ja kaum noch , klingt ja so unspektakulär !

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    1. Anonym6/11/2016

      Ich gebe noch SO FEIN und KÖSTLICH aus meinem Kästchen dazu.. und ich finde das klingt einfach angemessen. Denn für mich ist Essen nichts lautes, sondern eben wunderbar, geschmackvoll, großartig, so fein und köstlich. :) LG Ely

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  11. Ann-Katrin und Inkadanke und gern geschehen :)
    Liebe Ramona, da ja bekanntlich alles wiederkommt, hoffe ich auf ein lecker-Revival :)
    Liebe Denise, das freut mich :)
    Liebe Kerstin, dankeschön und den wünsche ich Dir auch!
    Liebe Uschi, nicht nur unlecker sondern auch unmöglich :)



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  12. Liebe Astrid, ich bin ja gerne konservativ, so richtig im Wortsinn. Politisch eher nicht :) Einen Apfelkuchen hätte ich jetzt auch gerne, zumal ich total malad herumhänge und sich keiner um mich kümmert *schnief*.

    Lieber Hans, Du glaubst doch nicht im Ernst, essen wäre der Sex des Alters? :) Naja, ich habe noch welchen, deswegen spiele ich ja kein Golf :)
    Wenn ich jetzt das nächste mal meine Bürotür aufmache... Kopfkino! :)

    Liebe Anne aus Aachen! Schön, dass Du hier mitliest. Und Dir auch einen schönen Sonntag!

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  13. Liebe Petra, Schatzkästchen sind eine schöne Sache, auch und vor allem für Wörter. Die Dudenredaktion veröffentlicht jeden Monat Wörter, die langsam aus der deutschen Sprache verschwinden. Ich bemühe mich dann immer, sie besonders häufig zu gebrauchen.

    Lieber Klaus, Punkt, Komma, Strich... :)

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  14. Lieber Claus mit C! Es freut mich, dass wir einer Meinung sind!

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  15. Jaaa, danke!!!
    #foodporn ist mein verhasstester Hashtag. Vor allem WAS da als Foodporn bezeichnet wird ist echt traurig. Diese Begriffe wecken Erwartungen, die meist nicht erfüllt werden und dann nervt es einfach nur. Ich verwende ja gerne Synonymwebseiten um nicht immer wieder nur "lecker" oder "soooo gut" zu verwenden, aber wenn die Wörter es am besten treffen, verwende ich sie auch so.
    Liebste Grüße
    Julia

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  16. Meine Nerven. Wenn ich das lese, bin ich auf einmal wieder sowas von froh, mit und ohne Blog einen weitestgehenden Bogen um FB zu machen. Diese Leutchen müssen irgendwie zuviel Zeit haben und ich versteige mich mal in die wagemutige Behauptung, dass in den o.g. Kreisen nur diskutiert aber niemals auch nur ein Kochlöffel angelangt wurde. ;)

    Und zu deiner Freude, wie ich hoffe: ich finde dein Essen lecker. Sehr sogar. ^^

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  17. Mmmmh, lecker Foodporn. ;-)
    Aber mal im Ernst: Das sind doch alles nur Verbalerotiker. Die Werbung zum Beispiel im Fernsehen war in den 1980er Jahren viel freizügiger. Aber die Extremisierung der Sprache schreitet in vielerlei Hinsicht immer weiter voran. Pornöser, gewalttätiger, extremer. Nur, woran liegt's?
    Und was kann man tun? Wichtiger Gedanke in dem Zusammenhang: Ein Zurück gibt es nicht. Entwicklungen kann man nicht umdrehen. Aber man kann versuchen, sie zu leiten. Eins ist da sicher immer wichtig: Vorbildwirkung. Nichts verbieten, sondern lenken durch Aufzeigen neuer Varianten. Naja, usw. usw. Das kann man in jedem guten Pädagogik-Lehrbuch nachlesen, vor allem bei denen für Hunde.
    Also: Pflegt die deutsche Sprache in den Blogs, entwickelt sie weiter in eine Richtung, in die sie sich entwickeln sollte und hofft, es wird euch gefolgt.

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  18. Ich habe noch nie davon abgelassen.
    Trotz all dem Gequatsche.
    Und werde auch weiterhin unterschreiben...:

    Mit leckerem Gruß
    Peter

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  19. Da will der FAZ-Fritz 'lecker' doch tatsächlich zum Unwort des Jahres machen ... ts! Ich schätze, "Gaumenorgasmus" und "Foodporn" sind ihm einfach noch nicht untergekommen ;o))
    Der vermurgelte Verbalunsinn in epischer Länge hier: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/sprachkritik-wort-und-kraut-13875883.html?fb_action_ids=1500179530278896&fb_action_types=og.shares

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  20. Das hat's mir gestern schon in meine Twittertimeline gespült und für meinen Monatsrückblick am kommenden Samstag habe ich es auch verwendet :)

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  21. Liebe Julia, über die Qualität der Bilder mit foodporn-tag wolle ich lieber nix sagen, zumal ich da im Glashaus sitze ;)

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  22. Liebe Rabin,
    das hat wohl mit FB weniger zu tun als mit dem Zeitgeist. Vielleicht erinnerst Du dich an den unsäglichen Bericht im Nachtmagazin vor 2,5 Jahren, über den ich hier geschrieben habe?

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  23. Lieber Dirk,
    Du hast sicher recht, ein Zurück gibt es nicht. Ich bemühe mich einfach für meinen kleinen Teil, dieser Sprache aus dem Weg zu gehen und bemühe mich mit diesem Blog um Klarheit und Unaufgeregtheit und ein bisschen Konservatismus. Danke, dass Du hier mitliest!

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  24. Lieber Peter,
    ich wäre ansonsten auch schwer enttäuscht!
    :)

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  25. Also wenns meine Kinder geschmeckt hat, dann sagen sie (Gott sein Dank!!!) lecker, würden sie foodporn sagen, würde ich an mir zweifeln.... klar gibt es noch mehr als lecker, gut, sehr gut, delikat und noch sooooo viel anderes mehr. Aber ich kann Dir nur Recht geben, manche "Modewörter" in der Foodieszene wirken auf mich auch nach drei Jahren bloggen immer noch sehr befremdlich.
    Lg, Kebo

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  26. Jawohl! Dem ist nichts hinzuzufügen!

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  27. Liebe Astrid,

    Du bist gefühlte 15 Jahre, optisch min. 20 und in wirklichkeit 6 Jahre jünger als ich .... irgendwann kommt Du auch noch dahin das Essen so gut ist :-) Aber wie gesagt, bei Dir dauert das noch gaaaannnzz lange :-)

    Gruß
    Hans

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  28. Liebe Kebo,
    "befremdlich" ist aber sehr diplomatisch! :)

    Liebe Kochpsychater,
    freut mich, dass wir uns einig sind :)

    Lieber Hans,
    Du siehst mich sehr beruhigt :)

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  29. Danke Asrid, du sprichst mir aus der Seele. Es steht aber zu befürchten, dass der Weg zurück nicht mehr möglich ist, was ich persönlich sehr schade finde.
    Viele Grüße Ralf

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    1. Da hast Du sicher Recht, und ja: das ist sehr schade.

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