Der Geschmack des Ursprungs
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Essen hat uns in allen Kulturen und zu jeder Zeit fasziniert und beschäftigt. Aber was macht ein kulinarisches Erlebnis aus? Und wie können wir es noch steigern? Um das herauszufinden, erkunden wir unkonventionelle Methoden und Innovationen, sowie uralte Techniken. Tasteology: Eine Dokumentation, die Geschmack neu entdeckt.
Woher wissen wir, was uns gut tut?
Was ist der beste Geschmack der Welt? Der von Muttermilch. Schon Babys saufen, nuckeln und seufzen dabei vor Wonne. Kein anderes Lebensmittel natürlichen Ursprungs enthält solche Mengen an Glutamat, dem Stoff, der uns immer mehr von allem wollen lässt! Hinzu kommt der Geschmack von Vanille - wir sind ab dem ersten Tag unseres Lebens willenlos und konditioniert. Unser (gesunder) Körper weiß, was er braucht und unser Gaumen folgt unseren natürlichen Bedürfnissen. Aber jeder von uns kennt "den Jieper". Der Jieper kann salzig sein oder süß oder sauer, er kommt um die Ecke mit seinem Bedürfnis, das keinen Aufschub duldet und uns stante pede an den Kühlschrank oder in die Vorratskammer führt.
Würden wir hingegen ausschließlich auf die von der Natur gegebenen Bedürfnisse unseres Körpers hören, würden wir in den Wald gehen und pflücken und zupfen, was die Natur uns gibt - wir wären prallgesund und glücklich mit dem, was wir haben.
Aromen sind die chemische Sprache des Verlangens. Sie bringen Millionen Menschen dazu, zu essen, was sie nicht essen sollten. (Mark Schatzker, Autor und Foodjournalist)
Aber so leben wir nicht. Nicht im Wald und zum Pflücken unserer Nahrung haben die meisten von uns weder Zeit noch Lust. Uns den Ursprung unserer Nahrung zurückzubringen, ist oft nur noch den großen Köchen der Welt vorbehalten; immer tiefer greifende Restaurantkonzepte, die weit über den Begriff "Regionalität" hinausgehen, zeugen davon. René Redzepi servierte im Noma** kleine Garnelen aus Norwegen auf Eis, fast durchsichtig, in denen das Leben noch pulsierte. Micha Schäfer verarbeitet im Nobelhart & Schmutzig* Produkte abseits jeder kulinarischen Redundanz und macht sich auf die Suche nach einer Quelle für Säure, weil er auf Zitronen verzichtet, die im Umfeld von Berlin nun einmal nicht gedeihen.
Gang zu Episode I:
Gegrillte Pilze mit Waldkräutern, angetrocknete Manjokwurzel und Erde aus Pilzen und Pumpernickel
Für die Küche des japanischen Restaurants Miyamasou** werden die Zutaten seit über 100 Jahren im Umkreis von 10 km gesammelt. Damit folgen Inhaber und Küchenchef Hisato Nakahigashi und seine Frau Satchiko der Tradition seines Urgroßvaters, inklusive der Bärenjagd im Winter. Ihre Philosophie hingegen folgt dem Naturküchen-Konzept Tsumikasa: Jagen mit einer Art Dankbarkeit, die man dabei empfindet. So werden die Gerichte im Miyamasou stets von der Jahreszeit dominiert, nicht vom Verlangen der Gäste. Aber vielleicht gibt es so nah am Ursprung unserer Nahrung diesen Unterschied gar nicht?
Die Kraft des Geschmacks
Die Industrie gibt alles. Sie verführt uns mit Aromen, denen sie den Zusatz natürlich verpasst. Natürlich bedeutet dabei lediglich, dass es diese Aromen in der Natur gibt. Gebaut wurden sie von Chemikern im Labor. Hervé This, Vater der Molekulargastronomie und hier im Blog vor allem für seine Spiegeleier bekannt, plädiert verschmitzt für einen entspannten Umgang mit Aromen und Nahrung, die im Labor um- und neugebaut wurde.
Sie verwenden kleine Fläschchen mit Stoffen, Pulvern, Flüssigkeiten und so weiter und bereiten damit ein Gericht zu. Stellen sie sich vor, Sie würzen mit Curry oder Muskatnuss. Es sind Pulver mit hoher Geschmacksintensität. [...] Damit hat normalerweise niemand ein Problem. Wenn ich anstelle von Curry oder Muskatnuss oder Paprikapulver einen Tropfen einer Flüssigkeit verwende, die dasselbe bewirkt wie ein Gewürz, sehe ich darin kein Problem. Das gilt nebenbei auch für andere Chemikalien, die ich verwenden würde. Außerdem sind Produkte, die aus natürlichen Zutaten extrahiert werden, nicht sicherer.
In den Vorstandsetagen der Chemiekonzerne werden sie This bereits Denkmäler errichtet haben, kommt doch kaum ein Produkt, das wir uns im Supermarkt kaufen, noch ohne Aromen aus. Sie sind billig und täuschen unserem Gaumen einen Geschmack vor, den es so gar nicht gibt. Oder der zu teuer wäre, ihn auf natürlichem Wege in unsere Nahrung zu bringen. Seit wir Babys waren, sind wir auf der Suche nach dem nächsten großen Geschmackserlebnis und die Industrie weiß das zu nutzen. Sie hat den Jieper praktisch erfunden, auch wenn er manchmal von ihr als "kleiner Hunger" getarnt daherkommt.
Was also ist der Ursprung unseres Geschmacks? Wie natürlich möchten wir unsere Nahrung noch schmecken können und wie natürlich schmecken wir überhaupt noch? Warum lassen wir es zu, dass die Chemie- und Lebensmittelindustrie unsere Gaumen zukleistert und uns zu willenlosen Geschacksjägern macht?
Die sehenswerte, von AEG hochglanzproduzierte Serie Tasteology geht in vier kurzen Episoden diesen und anderen Fragen nach. Wir treffen auf den japanischen Meisterkoch Hisato Nakahigashi und seine Frau Satchiko, auf den Begründer der Molekulargastronomie Hervé This, auf den Experimantalpsychologen und Oxford-Professor Charles Spence, sowie auf Lucky Maurer, Koch und Wagyu-Züchter aus Bayern. Das Londoner pre-screening der Serie wurde von einem Menü des Londoner Meisterkochs Jozef Youssef furios begleitet.
Episode I: Source ----> Artikel im Blog
Episode II: Chill ----> Artikel im Blog (ab Montag, 4. Juli 2016)
Episode III: Heat ----> Artikel im Blog (demnächst)
Episode IV: Experience ----> Artikel im Blog (demnächst)
Weitere Berichte zur Tasteology im Netz findet ihr u. a. bei Twitter, Facebook und Instagram unter #tasteology, bei Jozef Youssef, Stevan Paul, Kerstin Getto, Simone Filipowsky, Zorra, Maja Nett und Christine Garcia Urbina.
Disclosure
Das pre-screening der tasteology-Episoden in London habe ich auf Einladung von AEG Deutschland besucht. Mich vom Geschmack des Menüs sowie der Atmosphäre der einzelnen Episoden begeistern zu lassen, war nicht Bestandteil des Auftrages, das ist einfach so passiert. Für die Möglichkeit, dies zu erleben und so viele Macher und Protagonisten rund um die Serie persönlich kennenzulernen, bedanke ich mich sehr herzlich. Und hey - wer hatte denn schon mal einen Oxford-Professor für experimentelle Psychologie als Tischherrn? Naaa? Und über was außer Drogenexperimenten redet man wohl mit ihm? Genau. Über gar nichts.
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