Heute vor 5 Jahren haben ich einen Punkt gesetzt...
Interessanterweise bin ich mittlerweile ganz froh, dass es restlos vergriffen ist, bis auf einige Restanten, die sich in modernen Antiquariaten und bei Amazon* tummeln. Mein Leben hat dieses Buch schon lange überholt – vieles darin würde ich heute anders schreiben oder zumindest modifizieren. Aber: erschreckend wäre doch nur, wenn ich eben das nicht tun würde, wäre dies doch das warnende Zeichen von Stillstand. Menschen verändern sich und wachsen, ihre Ansichten und Denkweisen sollten es ihnen gleichtun. Alles, was ich in meinem Buch zur Produktion von Lebensmitteln, zur Arbeitswelt, zum Lohndumping und der Ausbeutung von Mitarbeitern geschrieben habe; alles über das Leben und die Liebe und die Stärke, die man braucht, um in allem zu bestehen – all das würde ich heute noch genau so niederschreiben, wahrscheinlich sogar noch deutlicher als damals, eben weil sich so viele Dinge in den letzten 5 Jahren zum noch Schlechteren gewandelt haben. Aber mein Blick auf's Bloggen z. B. hat sich verändert, weil die ganze Bloggerei und alles was damit zusammenhängt, in den letzten Jahren einer immensen Metamorphose unterworfen war.
Zum Jubiläum dieses für mich ganz besonderen Moments veröffentliche ich heute die ersten Sätze hier für euch zum Mitlesen. Wenn ihr mögt, folgen nach und nach weitere, vielleicht mit der Ergänzung um heutige Sichtweisen...
Für Arthur
Ich werde den Verdacht nicht los,
dass Abstinenzler die Sachen nicht mögen,
auf die sie verzichten.
(Dylan Thomas)
Zuckersehnsüchte
Es fing so schön an. Mit drei Jahren bestand mein werktägliches Frühstück aus zwei Scheiben Toast, bestreut mit Zucker. Wenn ich heutigen ernährungswissenschaftlichen Studien glauben darf, waren es wohl die darauf folgenden Insulinausschüttungen, die mich vor lauter Hyperaktivität mittags im Kindergarten nicht schlafen ließen, sondern mich zum Schaukeln an Schranktüren verleiteten. Das Bett war mir eine Qual, stilles Herumliegen mit dreißig anderen Kindern in einem großen Saal voller Klappbetten mit rot-weiß-karierter Tischdeckenbettwäsche blieb mir unmöglich. So zappelte ich mich durch die ersten Jahre meines Lebens, vom Zucker aufgeschaukelt, in ständiger Bewegung, jede einzelne Zuckerkalorie doppelt verbrennend. Und wurde dünner und dünner. Mittlerweile ging ich zur Schule, den Bauch morgens voller Zuckertoast, mittags hoffend auf verlorene Eier in Senfsauce, Fischstäbchen mit Spinat oder Schweineöhrchen mit Kartoffelpüree.Das Mittagessen wollte ausgiebig genutzt werden, denn abends traktierten mich meine Eltern mit grober Kalbsleberwust und Haferbrei – beides war mir ein Graus. Die Abneigung gegen Kalbsleberwurst ließen sie mir durchgehen; Wurst war teuer und selber essen macht dick, wie Arthur stets zu sagen pflegte. Aber dieser Haferbrei ! Da stand der Teller mit Pampe, und mir drehte sich der Magen um. Aufstehen verboten. Erst musste der Teller leer sein. Ich aß und würgte und konnte doch irgendwann nicht mehr. Der Machtkampf um meine kulinarische Ausrichtung ging in seine erste Runde. Man drohte mir, man schrie mich an, ich weinte und aß doch nicht. Wie ein Damoklesschwert über mir ruhte der Holzkochlöffel am Tisch, bereit, die Bestrafung zu übernehmen. Ich erbrach. Übergab mich vor Ekel, weinte, schämte mich, habe die Haue bis heute verdrängt. Aber den Haferbrei war ich los. Wenn auch nur vorläufig.
Der Gewichtsverlust versetzte meine Eltern in Sorge und brachte mich zum Arzt. Was auch immer dort besprochen wurde, man hat es nicht mit mir zusammen getan. So erfuhr ich irgendwann, dass ich zur Kur müsse. Ich wusste nicht so richtig, was eine Kur ist. Sicher so etwas wie eine Strafe für Kinder, die ihren Haferbrei nicht essen. Meine Eltern ließen mir die Wahl zwischen einem Aufenthalt in den Bergen oder am Meer. Bei Bergen dachte ich an ewiges Hinauflaufen, am Ende noch mit Gepäck, und außerdem hatte ich Sorge, nicht weit genug gucken zu können. So fuhr ich für sechs Wochen an die See. Ließ mich am Ankunftstag wiegen und für zu leicht befinden. Freute mich auf ordentliches Essen, denn nur wenn man viel vom Guten aß, würde man zunehmen, da war ich mir sicher. Wie förderlich morgendliche kalte Salzbäder für die Gewichtszunahme sein sollten, habe ich schon damals nicht begriffen. Ich denke bis heute, dass ich mir jeden Morgen ca. 300 Kalorien einfach weggezittert habe; Produktivität geht anders. Die Klinikleitung war völlig anderer Meinung, denn das Frühstück bestand im zweitägigen Wechsel aus Nutella-Brötchen und – Haferbrei. Da reiste ich Hunderte von Kilometer, überquerte die Nordsee – tief, schwarz und ängstigend wie das heran eilende Heimweh – und ließ Zuckertoast und Schweineöhrchen auf dem Festland zurück, um doch nur wieder am Anfang zu sein.
...
Ach Astrid.... zum Glück hatte ich eine verständnisvollere Mutter die mir nichts reingezwungen hat. Probieren mußte ich, ganz klar. Der Kampf gegen unerwünschtes Abnehmen scheint allerdings erst jetzt zu Ende.
AntwortenLöschenAlso mein Kampf gegen das unerwünschte Abnehmen ist schon seit Jahren entschieden ;)
LöschenIch glaube, man sollte es nochmals lesen, so zum Jubiläum. Bis zum letzten Punkt.
AntwortenLöschenalsooo. ich habe es bislang nicht gelesen - allerdings ein paar mal überlegt... hab's mir jetzt bestellt nach dem lesen des anfangs :D
AntwortenLöschenwir diskutieren das dann im laurenz ^^
So machen wir das! Melde Dich, wenn Du es durch hast :*
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