Eine Rezension zu "Heimatküche. Die besten Rezepte vom Lande". Doch was ist Heimat eigentlich und wie kann man sie in Rezepte verpacken? Dieses Kochbuch versucht eine Erklärung und scheitert fast daran. Warum ich es trotzdem mag? Lest selbst:
Dass Essen ein verbindendes Element ist, habe ich erst viele Jahre später gemerkt, vielleicht schreibe ich mit diesem Blog also auch ein Stück gegen meine jugendliche Entwurzelung an – auch wenn mein Herz nun seit vielen Jahren in Rheinhessen liebt und eine neue Heimat gefunden hat
Heimat ist kein Ort; Heimat ist, wo mein Herz liebt. Wer wie ich mitten in der Pubertät aus Norddeutschland ins Neuwieder Becken verpflanzt wurde, weiß um die Kostbarkeit des Gefühles nach Heimat. Man braucht lange als junger Mensch, urplötzlich seiner sozialen Bindungen beraubt, die die Herzen der Menschen verbindenden Fäden neu zu knüpfen. Dass Essen ein solcher Faden, ein verbindendes Element ist, habe ich erst viele Jahre später gemerkt, vielleicht schreibe ich mit diesem Blog also auch ein Stück gegen meine jugendliche Entwurzelung an – selbst wenn mein Herz nun seit vielen Jahren in Rheinhessen liebt und eine neue Heimat gefunden hat.
Der Versuch, typische deutsche Küche zu definieren kann nur scheitern, ist die Küche der Deutschen doch vor allem eine Küche der Regionen. Aber das Gefühl nach Heimat wohnt in uns allen, mit all seiner Sehnsucht nach dem, was wir in dieses Gefühl hineinpacken. Ist es für den einen die Erinnerung an die Blumenwiese hinter Omas Garten, wärmt der Duft der mütterlichen Kartoffelsuppe die Seele des nächsten. An dieser Hürde scheitert auch fast das Buch – denn mit dem Zusatz "Die besten Rezepte vom Lande" unterwirft es sich einer Einschränkung, die ein Gefühl nach Heimat nie haben darf. Heimatküche wärmt die Seelen von Stadtmenschen glücklicherweise ebenso und der Gedankte, dass z. B. ein Putenschnitzel mit Leipziger Allerlei und Salzkartoffeln (im Buch S. 95) nun ein Rezept vom Land ist, erschließt sich mir nicht.
So kann nun jeder mit den Rezepten im Buch seine ganz eigenen Heimat-Assoziationen schaffen, mit Küche vom Land haben sie alle wenig bis nichts zu tun. Aber natürlich schafft dieser Zusatz im Titel zugleich ein warmes Gefühl, das die Sehnsucht nach Heimat marketingstrategisch unterstützt. Rezepte vom Land verkaufen sich über das warme Gefühl, das sie beim Betrachter auslösen, besonders gut; der Erfolg so genannter Heuballen-Magazine wie Landlust, Landgefühl und Landwasweißdennich kommt nicht von ungefähr.
Die Idee der Heimatküche und dass jeder etwas anderes mit ihr verbindet, machten es dem Redaktionsteam sicher leicht und schwer zugleich, eine bunte Auswahl zu treffen – irgendjemand erinnert sich schließlich immer gerne an ein Kotelett mit Kartoffel-Möhrenstampf (ich!), Gänsebraten oder Nussecken – oder eben auch nicht
Heimatküche. Die besten Rezepte vom Lande kommt im handlichen Format einer DIN A4-Seite daher, mit ca. 100 Rezepten auf 208 Seiten wiegt es etwa soviel wie der Topf mit den eingelegten Majes auf Seite 105. Unterteilt ist es in 9 Kategorien; wobei "Alles aus einem Topf" wirklich nur Suppen und Eintöpfe beinhaltet, auf von mir in diesem Zusammenhang befürchtete Seltsamkeiten wie "one pot-Pasta" wurde glücklicherweise verzichtet. Eine Person aus dem Redaktionsteam des Buches hat Heimat wohl auch in Italien erlebt, anders ist in der Kategorie "Gutes vom Acker" die "Klassische Lasagne" samt einer Idee von Bologneser Sauce kaum zu erklären und man fragt sich, was genau jetzt das Ackertypische an diesem Gericht sein mag; vielleicht ist es einfach der Weizen für die Nudelplatten.
Insgesamt kommt ein Teil der Rezepte ein wenig altbacken daher; Schichtsalat und Spargel-Schinken-Röllchen (wobei für letztere auch noch Spargel aus dem Glas empfohlen wird) erinnern doch eher an eine 90er Jahre-Kellerparty. Die Idee der Heimatküche und dass jeder etwas anderes mit ihr verbindet, machte es dem Redaktionsteam sicher leicht und schwer zugleich, eine bunte Auswahl zu treffen – irgendjemand erinnert sich schließlich immer gerne an ein Kotelett mit Kartoffel-Möhrenstampf (ich!), Gänsebraten oder Nussecken – oder eben nicht. So ist das Buch eben auch ein buntes geworden, ein bunter Blumenstrauß voller Rezepte, aus dem sich jeder die für sich passenden pflücken kann.
Neu kennengelernt habe ich "Polnischen Blumenkohl" und wiedergefunden den Lieblingskuchen aus meiner Kindheit: "Kalter Hund". Es gibt Klassiker wie "Lauwarmer Kartoffel-Speck-Salat" oder "Reibekuchen mit Apfelkompott", überhaupt spiegeln viele der sehr einfachen und auch für Kochanfänger gut geeigneten Rezepte das Essen meiner Kindheit wider – was vielleicht die Zielgruppe der Leser etwas einschränkt. Die Generation meiner Tochter interessiert sich wohl eher für Buddha Bowls, cooles Streetfood und clean eating; Menschen ab 30 werden jedoch sicher Freude an "Heimatküche" haben – weil sie vieles wiedererkennen und die Erinnerung an die kulinarische Heimat ihre Seelen wärmt. Und genau das ist es, was mir das Buch so sympathisch macht: es will gar nichts Besonderes sein, kein Lebenshelfer im Kochbuchmantel, kein Gesundheitsratgeber, nicht modisch, nicht trendy, nicht heilsversprechend. Es ist einfach Ausdruck eines Gefühles, das wir alle in uns tragen: Sehnsucht. Und das ist doch eine ganze Menge für so ein Buch!
Bildnachweis für alle Fotos: KME GmbH für Tre Torri Verlag.
Genießt euren Tag!
durchgebrannte pfannenböden, angeschlagenes email, stumpf gewordenes besteck- die küchenausrüstung, die so malerisch auf dem cover ( pardon, buchumschlag, wir sind ja im heimat-modus) und den rezeptfofos drappiert sind, würfe ich erstmal auf dem sperrmüll! die rezeptfotos lassen mich auch die stirn runzeln- ein überproportinoniertes rausgebackenes kotelette mit ein paar löffeln brockig zermustem gemüse undefinierbarer herkunft dazu, eine fischzubereitung mit dicken spalten mutmasslich roher zwiebeln und ungeschälten erdäpfeln dazu- das hat für mich insofern viel mit heimat zu tun, weil es die aufgehübschte variante der plumpsküche meiner kindheit ist.
AntwortenLöschenDuni hat alles gesagt, was mir auch durch den Kopf ging. Lieblosigkeit? Heiße Nadel? Auf alle Fälle kein Ruhmesblatt für ein Haus wie TreTorri.
AntwortenLöschenich habe die leise Vermutung, es lagen halt irgendwo noch ein paar Rezepte und Fotos herum, leftovers aus vorangegangenen Werken... Und die wurden eingesammelt und in ein Buch mit verkaufsförderndem Titel verpackt. Deswegen wirkt die Mischung so unausgegoren und die Bilder haben keine einheitliche Sprache. Wie gesagt – ich mag den Gedanken dahinter, den an Heimat und alles, was damit zusammenhängt. Über den Rest hängen wir getrost den Mantel des Schweigens ;)
LöschenKalter Hund ... hach, gab es, von meinem Papa selbstgemacht, zu unserer Hochzeit, auf meinen ausdrücklichen Wunsch. Das ist jetzt 20 Jahre her (oh mein Gott), mein Papa ist fast 4 Jahren tot und jetzt habe ich Sehnsucht nach ihm. *seufz*
AntwortenLöschenUnd da ist es wieder, dieses Gefühl von Sehnsucht, das dieses Buch trotz seiner offenkundigen Schwächen auszulösen vermag.
LöschenUnd da ist es wieder, dieses Gefühl von Sehnsucht, das dieses Buch trotz seiner offenkundigen Schwächen auszulösen vermag.
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