Mit Metzger Andreas Harth zu Besuch auf dem Falkensteiner Hof
Neunundfünfzigkommafünfkilogramm
59,5 kg pro Person pro Jahr. Auf diese Zahl summiert sich die zwar rückläufige, aber dennoch unfassbar hohe Menge des menschlichen Fleischkonsums in Deutschland im Jahr 2019. (Quelle: statista). Der BUND empfielt maximal 600 g Verzehr pro Woche (=31,3 kg pro Jahr), um das Klima nicht weiter zu schädigen – von Verbesserung der bestehenden, durch Viehzucht- und haltung, sowie Futteranbau samt dessen Folgen enstandenen Schäden, ist da nicht die Rede. Es geht lediglich um die Erhaltung des Status Quo. Wem die Umwelt ^^wurst ist, oder wer zu erst an sich denkt, dem empfielt die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) 300 - 600 g Fleischkonsum pro Woche. Übrigens ist da die Wurst eingerechnet. Deutsche essen ja gerne schon morgens die erste Wurstschnitte und denken nicht daran, dass auch das Fleisch ist. Wurst ist Fleisch (ja, auch die mit Gesicht), Hühnchen übrigens auch.
"Wie, er mag kein Fleisch? Na, dann mache ich eben Lamm!"
(Welcher Film?)
Mit den allenthalben empfohlenen 600 g Fleischverzehr pro Woche käme ich persönlich im Jahresschnit ungefähr vier bis sechs Wochen weit. Das ist jetzt geschätzt, vielleicht sollte ich tatsächlich mal ein Jahr lang meinen Fleischkonsum notieren, die Gelegenheit wäre günstig, der Januar ein idealer Startzeitpunkt für ein solches Projekt – allein, wer hielte diese Notierungswut durch? Ich never ever, ich kenne mich. Aber wenn ich berücksichtige, dass ich durch die ganze Fasterei eh ungefähr drei Monate im Jahr gar nicht esse und Fleisch meistens nur am Wochenende, Wurst als Aufschnitt quasi nie, dann ist mein Konsum sicher realistisch eingeschätzt.
Schweinefleisch findet in meiner Küche kaum statt, in knapp zwölf Jahren Bloggerei gibt es dafür gerade 16 Rezepte – in zweien davon dreht es sich ausschließlich um Meenzer Fleischworscht. Ich liebe jedoch wirklich dicke Steaks, und Seele und Magen zugleich sättigende Schmorgerichte. Und das Fleisch dafür kaufe ich seit vielen Jahren bei zwei Metzgern: Andreas Harth (Stadecken-Elsheim + Filialen) und Jürgen David (Worms). Beide beziehen ihr Rindfleisch vom selben Landwirt: Michael Koch aus Falkenstein. Und dort habe ich mich im Dezember mit Andreas Harth getroffen, um mir die Rinderhaltung und den neu gebauten Schlachtraum anzusehen und ein paar Kuhschnuten zu knuffen.
Von Rheinhessen aus fuhr ich an einem kalten Morgen rund fünfundvierzig Kilometer auf den Donnersberg, mit 50 km/h durch dickste Nebelsuppe über kurvenreiche Landstraßen schleichend – bis plötzlich der Nebel wie ein kaputter Vorhang zu Boden knallte und ich nur noch dachte, wow!
Unzählige Weiden erstrecken sich über den Donnersberg rund um die Gemeinde Falkenstein, auf denen die Rinder von Michael Koch leben. Sie leben auf diesen Weiden das schönste Kuhleben der Welt – und zwar das ganze Jahr über. Manchmal sieht Koch einige von ihnen tage- oder wochenlang nicht. Er züchtet eine Kreuzung aus Angus- und Limousin-Rindern im geschlossenen Mutterkuh-System, das heißt, die Kälber bleiben durchgängig bei ihren Müttern.
Bis vor kurzem hat Michael Koch, der im Hauptberuf Forstwirt ist, und die Rinder in einer Mischung aus Liebhaberei und Nebenerwerb hält, die zwei Tiere, die er wöchentlich schlachten lässt, auf den Schlachthof nach Alzey gefahren. Aber machen wir uns nichts vor – auch viele der regionalen Schlachhöfe ächzen unter dem Gebot der billigen Lohnarbeit, ausgeführt im Akkord von osteuropäischen Schlachthofsklaven, unter deren Bolzenschussgeräten auch die Tiere aus zertifizierter Bio-Haltung einknicken. Ich weiß immer nicht, für wen ich mehr Mitleid empfinde, für Mensch oder Tier in diesem beide gleichermaßen verachtenden System. Koch ging es ähnlich, und so hat er den Kampf mit der EU-Bürokratie aufgenommen, hat kistenweise Schriftstücke, Anträge, Genehmigungs- und Prüfverfahren produziert, einen sechsstelligen Betrag in die Hand genommen, und auf dem Falkensteiner Hof einen Schlachtraum bauen lassen.
Das heißt, er schlachtet jetzt zwei Rinder wöchentlich auf dem eigenen Hof. Die zur Schlachtung ausgewählten Tiere werden mit einem Anhänger, in den sie ganz gemütlich von alleine dackeln, weil er halt einfach so auf der Weide rumsteht, auf den Hof gefahren und bleiben in der Kleingruppe mindestens zwei Wochen in einem offenen Stall.
Zwischendurch habe ich dem Falkenhofer Zuchtbullen Hallo gesagt – er heißt natürlich Paul. Und wie das bei Pauls so ist: immer am Futter! Alle.
Natürlich reichen zwei Rinder in der Woche nicht für zwei Metzgereien. Die Ware, die Andreas Harth also nach Bedarf zukauft, stammt vom 30 km entfernten, privat geführten, bio- und ökozertifizierten Schlachthof Bayer, der die Tiere wiederum von Bauern aus der direkten Umgebung erhält und handwerkliche Einzelschlachtung durchführt.
Die Schweine wiederum, die in der Landmetzgerei Harth verarbeitet werden, stammen von einem Bauern aus dem nur dreißig Kilometer entfernten Höchstätten bei Bad Kreuznach, werden mit hofeigenem Futter gefüttert und sind drei Monate älter als allgemein übliche Schlachtschweine. Auch sind sie deutlich schwerer (ca. 140 kg statt ca. 100 kg) und somit fetter; ihr Fleisch ist deutlich aromatischer. Montags werden sie von Andreas Harth und seinen langjährigen und erfahrenen Mitarbeitern in der Metzgerei geschlachtet. Damit ist die Metzgerei Harth eine der ganz wenigen Metzgereien in Rheinhessen, die noch selbst schlachtet.
Das Rindfleisch, das ich bei Andreas Harth kaufe und euch in meinen Rezepten auf dem Blog vorstelle, stammt in der Regel von Färsen oder Ochsen vom Falkensteiner Hof.
Manchmal möchte ich mich selbst kneifen, dass ich in dieser wunderschönen Gegend lebe und das große Glück hatte, mir im Laufe der letzten Jahre ein so vertrauensvolles Verhältnis zu den für mich wichtigen Lebensmittelerzeugern in meiner Umgebung aufzubauen. Und ich möchte jedem Mut machen, sich auf die Suche nach solchen Quellen zu machen. Die Tiere, die Natur und vor allem auch die Menschen, die unsere Lebensmittel erzeugen, werden es danken.
Serviceteil
Landmetzgerei Harth
Stammhaus
Portstraße 14
55271 Stadecken-Elsheim
(06136) 23 24
Mainz Innenstadt
Lotharstraße 5
55116 Mainz
(06131) 629 04 66
Filiale Saulheim
Schillerstraße 13
55291 Saulheim
(06732) 44 42
Wochenmärkte in Mainz
Hauptmarkt am Dom
Di., Fr., Sa.: 7:00 – 14:00 Uhr
Marktplatz am Dom
Markt am Frauenlobplatz
Do: 07:00 – 13:00 Uhr
Frauenlobplatz
Hallo Astrid,
AntwortenLöschensehr schöner Beitrag und die "wilden Tiere" wohnen auch im Norden des Landes, so du mal auf Reisen bist. "mein Rind" von
https://www.alster-wagyus.de/
https://www.weidefunk.de/weidehelden/starke-frauen/anna-butz-die-stille-pionierin-wie-wir-unseren-blick-auf-kuehe-und-kaelber-veraendern-wenn-wir-den-sanften-weg-waehlen/
und "mein Huhn"
https://odefeyundtoechter.de/
Lieben Gruß, Eberhard