Kugelrunde holländische Fleischkroketten mit einer ragoutähnlichen Füllung aus Kalbfleisch oder Hähnchenfleisch in cremiger weißer Sauce Velouté. Knusprig frittiert in Panko und mit ein, zwei Happs verputzt. Oder auch: Wenn ich nicht nach Holland kann, kommt Holland halt zu mir!
Sehnsucht nach Bitterballen
Ende August 2020 saß ich das letzte Mal in der Lieblingsstrandbar Strand90 in Domburg und kugelte köstliche Bitterballen mit einer Kalbfleischfüllung in mich hinein. Danach noch eine winzige Portion von Bitterballen aus Hähnchenfleisch. Und Garnelen. Und Käse. Und einen Salat mit Landgockel. Und dabei sah ich hinaus aufs Meer und träumte vor mich hin, während meine Finger und mein Mund kleine Fettschlieren am Weinglas hinterließen ... Dass jetzt, über sechs Monate später, noch immer kein neuer Termin für den nächsten Besuch in Domburg im Kalender steht, macht mich so traurig wie nervös. Und hungrig. Je klarer wird, dass es bis zur nächsten Bitterballenorgie in Holland noch lange dauern wird, desto gieriger werde ich. Bitte, es gibt ja kaum etwas Geileres, als frittiertes Zeugs, das man in Holland direkt am Strand futtern kann. Und da macht es auch gar nichts, dass das alles natürlich volle Breitseite Conveniecefood ist. Da ist nichts selbstgemacht, was an Kroketten in die Fritteusen springt. Und die Liste der Inhaltsstoffe würde mir in Deutschland die Zehennägel aufrollen lassen – im Hollandurlaub ist sie mir völlig wumpe. Blörp.
Jedenfalls ... wenn ich also nicht nach Holland kann, kommt Holland halt zu mir. Und deswegen mache ich Bitterballen jetzt einfach selbst. Nach drei Anläufen habe ich das für mich – und somit wahrscheinlich auch für euch – perfekte Rezept ausbaldowert. Aber vor dem frittierten Glück erkläre ich noch kurz, was Bitterballen eigentlich sind.
Was sind Bitterballen?
Bitterballen sind kleine Fleischkroketten in runder Form. Traditonell werden sie aus Kalbfleisch oder Rindfleisch hergestellt, für vegetarische Varianten werden oft auch pure Champignon-Bitterballen produziert. Es gibt sie in niederländischen Supermärkten in zig Varianten im Tiefkühlregal zu kaufen und ich kenne keine Bar und kein Restaurant am Meer, das die kleinen geilen Kugeln nicht auf der Speisekarte hat. Dort isst man sie nicht nur zu Wein oder Bier, sondern eben auch zum namensgebenden Bitter(Schnaps). Sie sind frittiert, außen goldknusprig, innen scheiße heiß und werden traditonell mit Senf gestippt. Mir schmecken sie mit Sojasauce noch etwas besser, aber ich paniere die Bitterballen schließlich auch in Panko und nicht in normalem Paniermehl – insofern passt es wieder. Und überhaupt ist etwas Frittiertes in Sojasauce zu tunken quasi wie Käse mit Käse zu überbacken: Leider geil. Der Trick ist, sie so stark zu würzen, dass der Geschmack sich hinterher noch gegen den Zustand des Frittiertseins behaupten kann. Rezepte gibt es wie Priele am holländischen Nordseestrand, ein verbrieftes Originalrezept für Bitterballen habe ich keines gefunden. Macht aber auch nichts, schmecken müssen sie und schmecken werden sie, wenn ihr sie nach meinem Rezept kocht. Beachtet nur bitte die benötigte Kühlzeit!
Rezept für Bitterballen
Zutaten für circa 25 Bitterballen aus Hähnchenfleisch
- 200 g gekochtes Hähnchenfleisch (siehe meine Tipps zur Zubereitung), das sind 500 - 600 g Hähnchenkeulen Rohgewicht, circa 4 Stück
- 150 ml Geflügelbrühe
- 50 g Butter
- 1 EL Weizenmehl
- 1 Schuß trockener Weißwein
- 2 Spritzer Worshestershiresauce*
- 1 Eigelb
- Salz, Melange Blanc*
Fakultativ:
- 1 EL Kapernwasser
- 2 - 3 Scheiben alter Gouda, fein gehackt
- 1 EL frischer Zitronensaft
- 500 g Pflanzenfett (zum Beispiel Biskin)
Zubereitung Bitterballen
- Das leicht abgekühlte Hähnchenfleisch in kleine Stückchen schneiden.
- Die Butter in einem Topf schmelzen, das Mehl hineinstäuben, mit dem Kochlöffel zu einer zähen Masse rühren, nicht anbrennen lassen! Die Mehlschwitze mit dem Weißwein ablöschen, die Geflügelbrühe nach und nach dazugießen und zu einer sämigen Sauce Velouté rühren. Mit Worshestershiresauce und eventuell dem Zitronensaft und dem Kapernwasser, Salz und Melange Blanc kräftig abschmecken. Die Sauce mindestens 20 Minuten vorsichtig köcheln lassen, dabei immer wieder umrühren, damit sie nicht anbrennt. Die Kochzeit wird benötigt, damit der Mehlgeschmack sich verkocht.
- Das Eigelb unterziehen, jetzt darf die Sauce nicht mehr kochen!
- Wer mag, zündet jetzt eine kleine Umamibombe und schmilzt den alten Gouda in der Sauce, Parmesan funktioniert an der Stelle natürlich auch.
- Das gewürfelte Hühnerfleisch nun mit so viel Sauce aufgießen, dass eine cremige, aber doch relativ kompakte Masse entsteht. Die Geflügelmasse im Kühlschrank fest werden lassen, erfahrungsgemäß dauert das mindestens 6 Stunden. Sie soll gründlich durchkühlen, sonst wird sie später während der Zubereitung der Bällchen zu schnell wieder weich. Und zu weich lässt sich sich nicht gut formen.
- Aus der Geflügelmasse mit Hilfe eines Eiskugelportionierers* Kugeln mit maximal 4 cm Durchmesser formen
- Die Fleischbällchen erst in der Eiermischung und dann in der Panade wälzen.
- Das Frittierfett im Wok erhitzen. Den Stiel eines Holzlöffels ins heiße Fett tunken, wenn sich kleine Bläschen bilden, ist das Fett heiß genug.
- Die Bitterballen goldgelb frittieren, auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Mit Senf (original) oder Sojasauce (mein Favorit) und ein paar Blättern Romanasalat servieren.
Meine verified Tochter-Tipps zur Zubereitung von holländischen Bitterballen
- Ich verwende das Fleisch von Hähnchenkeulen, die ich circa 1,5 Stunden sanft in meiner Geflügelbrühe simmern lasse. Die Keulen sind so saftig, da kommt eine Hähnchenbrust nicht mit, also verwendet besser keine Brustfilets
- Wenn ihr gerade keine Geflügelbrühe nach meinem Rezept gekocht habt, dann setzt ihr jetzt mit den Hähnchenkeulen ganz klassisch eine auf
- Ich zerkleinere das Panko etwas, so dass es so ungefähr mittig ist zwischen orginal japanischem und deutschem Paniermehl. Das geht ganz gut mit den Händen, schneller mit dem Mörser oder ihr füllt es in einen Gefrierbeutel und rollt mit dem Nudelholz darüber
- Wenn ihr die Bitterballen aus Kalbfleisch rollen möchtet, verwendet ihr dazu am besten Kalbshüfte oder die Anschnitte der Kalbsoberschale – beides ist jedoch deutlich magerer und somit weniger saftig als Hähnchenfleisch von den Keulen und macht geschmacklich am Ende kaum einen Unterschied. Hey, es ist frittiert, ist es nicht?
Edit:
Mittlerweile gab es ein Rezept für frittierte, holländische Bitterballen in der vox-Sendung "Das perfekte Dinner". Sie waren dort nicht halb so gut wie meine Knusperbällchen – sorry, aber isso. Allerdings explodieren mir hier natürlich jetzt seit Tagen die Zugriffszahlen, was ich nicht so ganz schlimm finde. Aber so gerne ich knusprige Bitterballen auch mag – in einem "perfekten Dinner", also im Anspruch, ein etwas anspruchsvolleres Essen, beziehungsweise Menü zu kochen, haben sie meiner Meinung nach nichts verloren. Sie sind komportables, sehr leckeres Streetfood und Strandbar-Food – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Serviceteil
- Worcestershiresauce habt ihr vielleicht noch vom Rezept zum Jamaikanischen Ochsenschwanz. Ansonsten HIER*, bitte das Original kaufen!
- Panko ist japanisches Paniermehl, das gröber, aber auch sehr viel knuspriger ist, als das deutsche. Es taucht in meinen Rezepten immer wieder auf und viele von euch kennen es sicher. Ihr bekommt es im Asialaden oder HIER*
- Melange Blanc ist eine weiße Pfeffermischung vom "Alten Gewürzamt", die das wohl häufigste von mir verwendete Gewürz, bzw. Gewürzmischung ist. HIER*
- Mein Eiskugelportionierer aus Edelstahl, spülmaschinenfest. Ich forme damit stets die Fleischbällchen für diverse Rezepte. Und ja, für Eiskugeln funktioniert er ebenfalls gut :) HIER*
- Wok von DeBuyer, HIER*. Vorgestellt habe ich ihn euch erstmals 2011 hier. Und seit dem läuft und läuft und läuft das Teil und wird mit jeder Schicht Patina immer besser!
- Das Blech, auf dem die Bitterballen vor und nach dem Frittieren "parken", kennt ihr wahrscheinlich schon von den Korean Meatballs. Es ist ein antihaftbeschichtetes, galvanisiertes Backblech, das ich für alles mögliche verwende – von Fleischbällchen bis zum Ruhen von Steaks, dem Garen von Fisch, dem Backen von bunten Gemüseblechen etc. Ich liebe es abgöttisch (merkt man gar nicht, ne?) HIER* erhältlich, gibt es in vielen verschiedenen Größen
Hach, ich hab auch Holland-Sehnsucht, liegt das bei uns doch vor der Tür! Allerdings muss ich zugeben, dass ich noch NIEMALS Bitterballen probiert habe. 😅 Die Füllung war mir aus guten Gründen immer suspekt und irgendwie kann ich da nicht über meinen Schatten springen... 😬 Der Mann liebt Frikandel (auch sowas Undefinierbares), ich bin im Team Pommes Speciaal! 😁😋 Die Bitterballen selber zu machen, ist natürlich eine ziemlich grandiose Idee! 👏🏻
AntwortenLöschenSiehste, ich gehe nicht an Frikandel, da ist allein schon die Farbe (und auch ein bisschen die Form) vor :)))
LöschenMega! Vielen Dank für das tolle Rezept!
AntwortenLöschenWie schön, dass es Dir schmeckt und gefällt! :)
LöschenLiebe astrid, ich bin ja eher die stille Mitleserin hier, aber heute muss ich mich mal melden. Vielen Dank für dieses Rezept, das ich gestern ausprobiert habe. Selbst an das Kapernwasser habe ich mich getraut auch wenn der Mann sein Veto einlegen wollte. Am Ende war er dann aber sher froh, dass ich mich durchgesetzt habe :-))
AntwortenLöschenDas war jetzt tatsächlich ein bisschen Niederlande zuhause und tröstet uns bis zum nächsten Urlaub an der Nordsee hinweg. Lass es Dir gut gehen und danke für alle deine tollen Rezepte. Ich habe schon viele ausprobiert und sie waren alle toll, immer besonders und sehr lecker!
Viele Grüße, Anja
Liebe Anja, vielen Dank für Deinen netten Kommentar! Ja, das Kapernwasser ist natürlich schon für Bitterballen-Fortgeschrittene, kein Wunder, dass Dein Mann erst gezuckt hat :)))
LöschenEs freut mich sehr, dass es euch so gut geschmeckt hat. Lasst mal rollen! ;)
"Durchsage, Durchsage: Die kleine Julia möchte dringend ins Bällebad! Dringed, bitte. Die kleine Julia..."
AntwortenLöschen... die Bitterballen waren ja viel besser, als die in Holland - wenngleich mit Bier an der Strandbude....
AntwortenLöschenTolles Rezept und wir hatten gleich doppelt Spaß damit, denn ein Einfrieren war problemlos und ohne Geschmacksverlust möglich. Fast ein gamz kleines bisschen Hollandfeeling!